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Liebling, Ich Kann Auch Anders

Liebling, Ich Kann Auch Anders

Titel: Liebling, Ich Kann Auch Anders
Autoren: Annette Kast-Riedlinger
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    ›Liebe ist eine Krankheit, die manchmal mit dem Tod endet, gelegentlich aber auch in der Klapse.‹ Ein Spruch, mit dem Sibylle oft und gern die Irrungen ihrer Umgebung kommentiert und den wir bislang stets als Phrase belächelten.
    Das Lachen ist uns aber gründlich vergangen seit Evas folgenträchtiger Affäre mit Magnus, die wirklich zu allerhand Befürchtungen Anlass gab. Mal unter uns: Was würden Sie Ihrer Freundin raten, die Ihnen mit leuchtenden Augen erzählt, das Unglaubliche sei geschehen, sie habe einen Mann gefunden, der nicht nur Ihren kühnsten Wunschvorstellungen entspricht, sondern sie auch noch bei Weitem übertrifft?
    Ich habe Eva gefragt, ob sie bekifft, betrunken oder sonst wie berauscht sei.
    »Na ja, unter sonst wie berauscht könnten wir es schon laufen lassen«, sagte sie und lächelte dabei jenes Lächeln, das Verliebte in den Augen nicht Verliebter stets töricht bis blöde aussehen lässt.

     
    Die Sache war nicht aus heiterem Himmel über Eva hereingebrochen. Wirklich nicht! Der ersten Blitz-Donner-und-Erdbeben-Begegnung gingen eine dreimonatige E-Post-Korrespondenz und eine einwöchige, insgesamt etwa dreißigstündige telefonische Gesprächsfolge voraus.
    Heißer Tipp für Paarungswillige: Ungeduld und Neugier fördern die Kompromissbereitschaft. Je länger Sie die erste Begegnung hinauszögern, desto interessanter werden Sie selbst. Die Qualität sollte natürlich schon einigermaßen stimmen, aber wenn Ihre Schriebe (oder sonstigen Zuwendungen) erstmal als fester Faktor im Tagesablauf der von Ihnen angepeilten Person verankert sind, können Sie mit viel mehr Nachsicht für Ihre Schwächen rechnen.

     
    Als Intimfreundin und Nachbarin war ich vom ersten Tag an informiert über Magnus, denn seine erste Zuschrift hatte Eva elektrisiert. Und dann genoss sie es, sich mit mir über den mysteriösen Unbekannten aus dem Netz zu unterhalten, alles, was er von sich gab, genüsslich wiederzukäuen und meine Bedenken und Vorbehalte jeweils mit emotionalen Argumenten oder geistreichen Zitaten aus dem fabelhaften Briefwechsel zu entkräften. (Männer, die eine heimliche Affäre pflegen, ahnen vermutlich nichts davon, dass so eine Geschichte nicht halb so reizvoll wäre, wenn ihre Geliebte sie nicht bis ins kleinste Detail mit ihrer besten Freundin besprechen könnte.)
    Zu Beginn leitete Eva mir die bemerkenswerten Mails weiter. Und später, als ich mich zur Aufzeichnung ihrer irren Geschichte entschlossen hatte, machte sie mir sogar Kopien ihrer Tagebuchseiten zur fraglichen Phase sowie des kompletten eindrucksvollen Mailwechsels mit Herrn Wunderbar. Deswegen bin ich auch in der Lage, alles ziemlich genau zu schildern.

     
    Vor etwa zehn Jahren – während unseres Studiums – hatten wir im Freundinnenkreis Kriterien festgelegt, die ein Mann zu erfüllen hätte, dem wir unsere Gunst gewähren wollten. Selbstverständlich sollte er gut aussehen und riechen, eine angenehme Stimme haben und über Humor sowie passable Manieren verfügen. An Bildung durfte er uns nicht allzu weit nachstehen, was unter anderem bedeutete, dass er mindestens zwei Fremdsprachen sprechen sollte. Er durfte kein Geizhals sein, der die Blumen, mit denen er uns erfreuen wollte, auf dem Friedhof klaute, oder etwa in der Espressobar auf getrennten Abrechnungen bestand. Und dann – eine ganz entscheidende Forderung: Er durfte keine anderen Göttinnen neben uns haben!
    Selbstverständlich hätte uns bei konsequenter Anwendung dieser Kriterien damals wie heute ein jungfräuliches Leben geblüht. Also haben wir uns damit abgefunden, dass wir Kompromisse eingehen mussten und müssen.
    Die beiden Fremdsprachen waren so ein Punkt, der großes Einsamkeitspotenzial in sich trug. Noch mehr allerdings die Manieren. Sibylle behauptet, der Prozentsatz der Männer, die korrekt mit dem Besteck umgehen können, liege zwischen fünf und sieben Prozent. Und sie ist in Bezug auf dieses Thema extrem sensibel. Eva hatte ihr nämlich vor längerer Zeit äußerst behutsam in einem Vieraugengespräch eröffnet, ihre Tischsitten seien etwas problematisch. Dann hatte sie ihr beigebracht, wie’s richtig funktioniert.
    Sibylle erwies sich als gelehrige und dankbare Schülerin und bestrafte fortan alle mit Verachtung, die sich so anstellten wie sie selbst noch vor nicht allzu langer Zeit.
    Der Aspekt mit dem Monotheismus verlangte auch des Öfteren große Elastizität. Doch wir kennen ja die Rechtfertigungen verliebter Frauen, deren Liebster
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