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Das verplante Paradies

Das verplante Paradies

Titel: Das verplante Paradies
Autoren: Peter Tate
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auf den Boden und setzte sich rittlings auf einen Stuhl. Seine Hände streichelten die bucklige Oberfläche der Muschel.
     
    „Also ich bin so einer
    Selbst wenn ich mal in eine Richtung blicke
    Bleib ich nicht dabei bis zum Ende meiner Tage –
    Zur Hölle damit.“
     … sagte er ohne Atem zu holen, ununterbrochen die Muschel streichelnd wie eine alte Jungfer ihre Lieblingskatze.
     
    „Gestern lief ich mit den Menschen mit
    Heute bleibe ich ruhig
    Das Morgen“ – er unterbrach sich –
    „wird seinen eigenen Schritt wählen.“
     
    Simeon beugte sich in seinem Stuhl vor. Er spürte, daß er die nächsten Worte des Mannes beinahe selbst wür de sagen können, so stark war die Spannung zwischen ihnen. Flüchtig spürte er Unbehagen, daß ein anderer so viel von ihm besitzen sollte. Dann kehrte sich die Überlegung um: Warum besaß er so viel von diesem Mann? Wie konnte er ihn anklagen, seine Seele gestohlen zu haben? Gogan wußte doch nichts. Wie hätte er es wissen sollen?
    Gogan verstummte, als Vangoj auf die Bühne flatterte und ihm mit bedeutsamem Flüstern einen Zettel in die Hand schob.
    Auf dem Zettel stand nur ein Wort: „Simeon“. Gogan hob die Hand an die Augen, um sie gegen das Licht zu schützen. Er sah das Mädchen, ehe er den Mann erblickte, und als er sie gesehen hatte, wußte er was er tun mußte.
    Er räusperte sich und holte Atem.
     
    „Vor und zurück zu schaukeln
    Und verrückt zu werden, ist schon was –
    Etwas, dessentwegen Simeon den Hügel hinaufstieg
    Um sich daraus fortzuschaukeln …“
     
    Simeon hörte seinen Namen, aber er war schon so sehr eins mit dem anderen, daß es kaum noch unerwartet kam.
     
    „… und du, Gog Simeon –
    Was siehst du in all den steinernen Kulissen?“
     
    Julie rutschte unbehaglich in ihrem Stuhl hin und her.
    „Wie lange soll das noch weitergehen …?“ Aber sie merkte, daß Simeon über bloße Konversation hinaus war. Sie erhob sich. Er bemerkte es nicht. Sie gab vor, sich recken zu müssen, und versperrte ihm absichtlich die Aussicht auf die Bühne.
    Als er nicht reagierte, setzte sie sich wieder. Gogan hatte dieses Schauspiel zufrieden beobachtet.
    „Größte, fette, haarige Vision der Sünde“, rief er, um die Aufmerksamkeit erneut zu wecken.
     
    „Sünde, Sünde, Sünde, Sünde.
    Leute sind Sünde.
    Die Welt ist Sünde.
    Alles ist Sünde.
    Wenn ich die Kuh des Hasses
    Mit ihrem sündig-scheelen Auge
    Besteige, streicht sie die Welt
    mit ihrem Schwanz zur Sünde.
    Sünde ist gewärmte Milch
    Sünde ist gekochtes Kalb
    Sünde schmeckt mit Pilzen …“
     
    „Ich gehe jetzt“, sagte Julie mit plötzlicher Entschlossenheit. „Du kannst ja bleiben, wenn du willst.“
    Simeon bemerkte nicht einmal, daß sie ging. Erst später stellte er fest, daß der Platz neben ihm leer war. Er stutzte einen Augenblick, dann kehrte seine Aufmerksamkeit zur Bühne zurück.
     
    „Ich bin eigen mit der Sünde“, sagte Gogan.
    „Die Sünde ist gerade Dreißig
    Und im falschen Hirn.
    Die Sünde ist links
    Sie zahlt die Miete
    Für seelische Dinge …“
     
    Nun war der Bann gebrochen. Immer weniger Worte von Gogan hatten eine besondere Bedeutung für Sime on. Gelegentlich besetzte ein Satz seine geistige Haltung, aber seine Zustimmung wurde distanzierter. Aber selbst in dieser Phase konnte er noch Verwandtschaft feststellen. Er dachte darüber nach, als Gogan sich seinem Finale näherte …
     
    „Aber ich werde nicht ich selbst sein
    Bis zu jenem Tag
    Auf den ledernen Balkonen.
    Dann werde ich … die Landschaft verändern.“
     
    Der Inhalt stimmte, aber die Worte nicht. Mit diesem Gefühl blieb Simeon zurück, als sie endeten. Gogan verbeugte sich lässig vor dem zerstreuten Beifall, erhob sich und latschte von der Bühne. Die Menge löste sich auf, nur Simeon blieb, wo er sich – scheinbar vor Stunden – niedergelassen hatte. Ein Schatten schwebte über ihm. Gogan setzte sich auf den Platz, den Julie zuvor innegehabt hatte.
    „So hat dein Täubchen also den Schlag verlassen“, sagte er. Diese Wendung war nicht einmal schlecht. Sie wirkte auf Simeon. Sie war glatt und überlegt, so gar etwas altmodisch – und auf jeden Fall nicht poetisch. „Das Mädchen, mit dem ich gekommen bin, ist gegangen“, sagte er. „Das stimmt.“
    „Warum?“
    Simeon hatte keine Lust, besonders höflich zu sein. „Ich hatte den Eindruck, ihr gefielen deine Gedichte nicht.“
    Gogan blieb unbeeindruckt.
    „So etwas gibt es. Wenn die Eindrücke nicht
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