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Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Titel: Das Vermaechtnis des Will Wolfkin
Autoren: Steven Knight
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natürliche Erben gestorben ist«, verkündete der Fel, »wird die Nachfolge nun festgelegt von …«
    Er fing an, in seinen Taschen zu wühlen, und verlor dabei ein wenig den Faden.
    »… festgelegt von … na, von diesem Schriftstück … diesem Absatz, der sich mit der abweichenden Thronfolge befasst … eben hatte ich es doch noch. Ahh, hier ist es ja.«
    Der Redner auf der Brücke brachte eine alt und angekokelt aussehende Rolle aus Walrosshaut zum Vorschein. Als er sich aber dicht darüberbeugte, um ein rotes Band zu lösen, rutschte ihm plötzlich die Brille von der Nase und segelte siebzig Meter in die Tiefe. Er fluchte leise, dann starrte er angestrengt blinzelnd auf das Schriftstück. Die Feierlichkeit des Augenblicks drohte zu schwinden. Ein irritiertes Murmeln lief durch die Reihen der Zuschauer.
    »Ah, hier! Passt auf!«, rief er endlich, und seine Nasenspitze berührte fast die Schrift. »Hier steht eindeutig geschrieben …«
    Er hielt die Schriftrolle höher ins Licht und neigte den Kopf.
    »… eindeutig geschrieben, dass in ebendieser Situation, in der wir uns befinden – wenn nämlich der König ohne lebende Nachkommen stirbt –, dass in diesem Falle die Macht des Königtums auf den nächsten lebenden Fel-Verwandten des Königs übergehen muss.«
    Hastig räusperte sich der grobschlächtige Fel und zupfte am Saum seines goldenen Gewandes.
    »Und da König Will Wolfkins nächster Verwandter sein Vetter Helva Gullkin ist, habe ich nun das große Vergnügen, verkünden zu dürfen: Der neue König von Langjoskull, der Erbe des Siegels und der Ringe von Will Wolfkin, ist … König Helva Gullkin!«
    Ein Teil des Publikums brach in Jubelrufe aus. Andere blickten erst nervös auf die Möwenkrieger, bevor sie applaudierten. Manche blieben still. Die Thrulls tuschelten miteinander.
    »Der König ist tot, lang lebe der König!«, rief der Redner aus.
    In diesem Augenblick flatterten weiße Tauben auf. Mithilfe eines Bandes hatte man einen Weidenkorb geöffnet und mindestens tausend Tauben freigelassen. Die Vögel flogen in einem prächtigen weißen Schwarm durch die Regenbögen hindurch und bis zur Blattgoldbespannung hoch oben. Gleichzeitig erschienen ungefähr hundert Trompeter an dem einen Ende der goldenen Brücke und bekräftigten die Nachricht mit Fanfarenstößen.
    Kurz darauf erschien Helva Gullkin persönlich durch ein goldenes Tor am Fuß der Brücke. Er saß auf einem strahlend weißen Pferd, das tänzelnd die Wölbung der goldenen Brücke emporschritt, wobei sich Gullkin mit majestätischem Winken nach rechts und links für den Beifall bedankte, den seine Möwenkrieger entfacht hatten.
    Gullkins Pferd blies Dampf in die kalte Luft.
    »Nachdem die Nachfolge somit geregelt ist …«, fuhr der Ausrufer fort, »… lasst uns nun zum Schwur der Eide kommen, mit dem wir Langjoskull die Treue schwören …«
    »Warte!«, erklang da eine kräftige Stimme, und sämtliche Köpfe drehten sich zur anderen Seite der Brücke. Das goldene Bauwerk schwankte leicht im Wind, der sich im Krater fing. Jetzt erklomm Doktor Felman die Brücke und stützte sich dabei Halt suchend auf das goldene Geländer.
    »Es gibt einen Einspruch gegen diese Nachfolgeregelung«, erklärte Doktor Felman.
    »Einen Einspruch?«, sagte der Redner auf der Brücke, und seine Stimme wurde plötzlich rau und dünn, wie sie vielleicht tief hinter seiner laut dröhnenden Stimme schon immer versteckt gewesen war.
    Mit einem Griff in sein blaues Gewand zog Doktor Felman das handgeschriebene Dokument hervor, das er Emma und mir, gleich als wir nach Langjoskull gekommen waren, gezeigt hatte. Rasch entfernte er die rote Schnur und entrollte das Schriftstück mit beiden Händen. Seine Stimme bebte vor Sorge und Erschöpfung, während er langsam weiterging.
    »Ich halte hier ein wichtiges Dokument in Händen«, verkündete er. »Die Worte, die es enthält, sind von König Will Wolfkin persönlich geschrieben – in der Nacht, in der er starb. Ich war Zeuge.«
    In der Menge kam Stimmengewirr auf. Gullkins Pferd schnaubte weißen Dampf in die Luft, als verstünde es, was hier vor sich ging.
    »In seinem letzten Willen und Vermächtnis erklärt König Will Wolfkin klipp und klar, dass er den Thron von Langjoskull den lebenden Erben seiner halb menschlichen Nachkommen zu hinterlassen wünscht. Diese Nachkommen gehen zurück auf das Kind, das ihm Gwendoline McShaffrey, eine Frau aus dem Geschlecht der Menschen, auf der Insel des Sonnenuntergangs
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