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Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Titel: Das Vermaechtnis des Will Wolfkin
Autoren: Steven Knight
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lebendiger Marktplatz war, auf dem geschäftiges Treiben geherrscht hatte, hing nun eine angsterfüllte Schläfrigkeit in der Luft. Über den Dächern waberten dichte Rauchschwaden. Das einfallende Licht schimmerte rot und keine Musik war zu hören. Irgendwo in der Ferne schrie jemand. Trupps von Möwenkriegern marschierten über die verlassenen Straßen. Die Fensterläden waren geschlossen.
    Die Szene wirkte beinahe so tot wie Emmas Dorf im Sudan.
    Wir flogen weiter, und nachdem die Stadt hinter uns lag, wandten wir uns nach Osten, vorbei am Blauen Vulkan, dann über das Land der Schlaflosen Krieger und weit darüber hinaus. Es war, als wollten wir bis ans Ende der Welt fliegen.
    Nach einer Weile kamen wir über ein enges Tal, das sich auf eine weite, von riesigen Schieferblöcken übersäte Ebene öffnete. Inmitten einer ringförmigen Anordnung solcher Steinbrocken, die die Größe vierstöckiger Häuser hatten, fanden wir das Lager der Blue Volcanoes. Schon während wir es umkreisten, merkten wir, dass unsere Gestalt sich allmählich wandelte. Emma und ich plumpsten schwer zur Erde, und nachdem wir uns zurückverwandelt hatten, fanden wir uns gegen einen Granitblock in der Mitte des Steinkreises gelehnt. Egil brachte eine elegantere Landung zustande und kam direkt neben uns auf die Beine. Der Schauplatz wirkte trostlos.
    Es waren nur noch etwa fünfzig Krieger übrig, die meisten saßen unter freiem Himmel um Lavafeuer gedrängt. Andere, die Kranken und Verletzten, lagen unter Lederzelten. Goldene Schwerter waren wie Kreuze in das Geröll gestoßen. Man hatte eine behelfsmäßige Schmiede errichtet, in der Waffen angefertigt wurden, ansonsten aber schienen die Krieger nur untätig zu warten.
    »Nachdem ihr weg wart, haben wir oft die Hoffnung verloren«, sagte Egil und dehnte seine schmerzenden Arme. »Das ist alles, was von uns übrig ist.«
    Bis der erste Blue Volcano uns entdeckt hatte, verging eine Weile. Der Rauch der Feuer nebelte uns ein und entzog uns immer wieder den Blicken, und erst als er sich ein wenig auflöste, bot sich den Kriegern nach und nach ein Anblick, mit dem sie nie mehr gerechnet hatten.
    »Sie sind zurück!«, sagte ungläubig eine leise Stimme durch den Rauch.
    Eine andere Stimme wiederholte die Worte staunend und bald waren sie von allen Seiten zu hören. Die Krieger zogen ihre Schwerter aus dem Schiefer, erst einer, dann drei, dann ein Dutzend, und hoben sie langsam über ihre Köpfe. Anfangs klangen ihre Stimmen rau und heiser, aber allmählich verschmolzen sie zu einem donnernden Getöse, das vom Rumpeln des Blauen Vulkans erwidert wurde.
    »Lang lebe der König!«, schrien sie einstimmig. »Lang lebe die Königin!«
    Ihre Stimmen waren weder so laut noch so zahlreich wie beim ersten Mal, als sie uns zu Ehren gejubelt hatten, aber ihre Begeisterung war ungeschmälert. Emma und ich traten einen Schritt weiter vor und die Krieger fielen auf die Knie.
    »Seht ihr, wie sie sich freuen, euch zu sehen?«, sagte Egil leise.
    »Bring uns zu Doktor Felman, Egil«, sagte ich, und zum ersten Mal fand ich, dass ich tatsächlich fast wie ein Prinz gesprochen hatte.
    Am Rand des Lagers gab es eine Stelle, an der zwei klobige Felsbrocken irgendwann gegeneinander gestürzt waren; sie sahen aus, als wollten sie sich gegenseitig stützen. In der Nische, die auf diese Weise entstanden war, fanden wir Doktor Felman und Professor Elkkin, die ebenfalls den Eindruck machten, als suchten sie Halt aneinander.
    Doktor Felman saß vor einem kleinen Lavafeuer und machte Tee, während Professor Elkkin mit einem Wetzstein ein Messer schärfte. Sie sahen kaum auf, als Egil uns zu ihnen brachte.
    »Ach, schön, dass ihr wieder da seid, Kinder«, sagte Doktor Felman gelassen, als kämen wir gerade von einem kleinen Spaziergang zurück. »Wollt ihr Tee?«
    Emma und ich setzten uns ans Feuer und Egil verschwand. Professor Elkkin goss zwei Tassen Tee ein. Doktor Felman summte leise vor sich hin.
    »Ist das alles?«, fragte ich.
    »Alles? Was alles, mein Lieber?«, sagte Professor Elkkin.
    »Wir sind gerade dreitausend Kilometer geflogen und riskieren unser Leben, um für euch zu kämpfen«, sagte ich, »und Sie sagen weiter nichts als ›wollt ihr Tee?‹.«
    Erst jetzt sah ich, dass sich Professor Elkkin eine Träne aus dem Auge wischte. Sie versuchte, es auf den Rauch zu schieben, indem sie heftig mit der Hand wedelte, aber dann stellte ich fest, dass auch Doktor Felman Tränen in den Augen hatte.
    »Wir sind beide
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