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Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Das Vermaechtnis des Will Wolfkin

Titel: Das Vermaechtnis des Will Wolfkin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Knight
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Licht – wumm, wumm.
    Sogar der Felsblock wackelte ein bisschen in der Mulde, in der er seit Urzeiten lag, aber dank seines enormen Gewichts blieb uns ein zweiter Flug durch die Luft erspart. Kaum war der Lärm des Kampfjets verebbt, ließ Emma den Felsen los und schaute nach oben wie eine Wahrsagerin, die den Himmel nach Zeichen absucht.
    »Er kommt noch mal«, sagte sie warnend, und wir nahmen wieder unsere Position an dem Felsbrocken ein. Dieses Mal hörte ich, während wir warteten, in der Dunkelheit Menschen schreien. Frauen und Kinder. Ihre Stimmen klangen so dünn und kraftlos vor dem ohrenbetäubenden Einschlag, der, wie wir wussten, jeden Moment kommen würde. Sie mussten ungefähr einen knappen Kilometer entfernt sein – genau dort, wo die Raketen einschlugen.
    Wschschsch – blendendes Licht – wumm, wumm.
    »Was sind das für Menschen?«, fragte ich, während das Heulen lauter wurde.
    »Flüchtlinge, die nach Kenia wollen«, erklärte Emma. »Dienen als Zielscheiben.«
    Das Licht des Jets beschrieb einen Bogen am Himmel, dann stieß es herab und fegte knapp über unsere Köpfe hinweg. Ich hörte das ohrenbetäubende Dröhnen der Maschinen und sah die orangeroten Lichtstreifen an den Spitzen der Flügel, während der Jet über die Wüste donnerte …
    »Es ist vorbei«, sagte sie leise. »Sie sind weg. Wir, die übrig sind, müssen weitermachen. Die überleben, müssen weitermachen …«
    Sie sagte diese Worte monoton, fast singend wie einen Zauberspruch, dessen ganze Wahrheit darin lag, dass er ausgesprochen wurde. Dann hörten wir das Brummen einer weiteren Maschine und drehten uns hastig um. Zwei Flieger. Wieder schossen zwei Lichtfontänen im Tiefflug auf uns zu.
    »Also doch noch mehr«, sagte Emma, und ihre Stimme war jetzt leise und apathisch. »Wir müssen uns wieder festhalten …«
    Bevor das Flugzeuggebrumm zu laut wurde, hörte ich aus der Dunkelheit wieder die Stimmen von Frauen und Kindern, aber diesmal waren es weniger. Das Dröhnen der beiden Maschinen war tiefer und dunkler als das des Kampfjets, und ich spürte, wie Emma fest meine Hand drückte. Ich spürte auch die panische Angst, die von ihr ausging und in meine Arme kroch. Sie seufzte und sah in die Höhe.
    »Fünfhundert Pfund Bomben«, sagte sie, »dagegen können wir nichts tun.«
    Dann klammerte sie sich, statt an den Felsen, an mich. Sie schlang die Arme um meinen Körper wie vorher um den Felsen und ich machte es umgekehrt genauso. Das tiefe, unerträgliche Brummen über unseren Köpfen wurde lauter, und dann gab es einen leisen, beängstigenden Pfeifton, genau genommen zwei gleiche Töne, die miteinander verschmolzen.
    »Das überleben wir nicht«, hauchte Emma.
    Wir warteten und warteten und der Pfeifton wurde lauter und tiefer und die fünfhundert Pfund Bomben fielen. Es gab einen Riss durch die Erde, einen Lichtblitz und dann … Stille.

21. Kapitel
    M it Kopfschmerzen, als hätte ich eine Axt im Hirn, wachte ich ungefähr zwanzig Meter vom Felsen entfernt auf. Es war Morgen und überall am Himmel standen Rauchwolken, als hätte er blaue Flecke bekommen. Die Luft roch nach verbranntem Plastik. Schließlich schaffte ich es, mich aufzurappeln und zu dem Felsbrocken zu torkeln.
    »Emma?«, rief ich. Keine Antwort, nur das klagende Heulen eines Wolfes oder eines Schakals. Ich blieb auf der Stelle stehen und schaute in die Richtung, aus der das Heulen gekommen war.
    »Emma?«, wiederholte ich.
    Da hörte ich ihre Stimme hinter mir.
    »Hier!«, rief sie und ich rannte zu ihr.
    »Emma! Ist dir was passiert?«
    »Ich bin okay«, sagte sie. Schwer atmend setzte sie sich auf. »Ich bin auf den Kopf gefallen, aber ich bin okay.«
    Ich sah, dass sie eine Schramme am Kopf hatte, und versuchte, sie mit meinem Ärmel zu säubern.
    »Wie kann man in diesem Wahnsinn leben?«, sagte ich.
    Ich merkte, dass sie geweint hatte und dass ich ihre Tränen nicht sehen sollte. Sie kam auf die Beine und wischte sich den Dreck ab.
    »Vielleicht, Toby, solltest du was mit deinen Haaren machen«, sagte sie. »Die Leute in meinem Dorf sind sehr eigen.«
    Wir vermieden die Straße, weil Emma meinte, sie werde keinen schönen Anblick bieten nach dem nächtlichen Bombenangriff. Stattdessen folgten wir einem Graben, der einmal als Panzersperre angelegt worden war. In den beiden kleineren Gräben zu beiden Seiten lagen ausgebrannte Militärgeräte, Autos, Trucks, Kanonen, Ausrüstungsdinge. Emma nannte jedes Teil beim Namen, sie kannte Fabrikat, Modell und

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