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Das Vermächtnis der Schwerter

Titel: Das Vermächtnis der Schwerter
Autoren: Michael Rothballer
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regnerischen Morgen eigentlich nicht an genügend Ablenkung. Heute wollten Rai, Barat, Kawrin und Erbukas das erste Mal als neue Machthaber zu den Bewohnern von Andobras sprechen und waren deshalb bereits auf dem Weg von der Festung zur Stadt. Als sie endlich den Hafen erreichten, hatte das unablässig herabrieselnde Nass schon den Weg durch die unterste Schicht schützender Kleidung gefunden und kroch nun klamm über die Haut, wo es den letzten Rest Wärme zu tilgen begann.
    Raschen Schrittes hielten die vier neuen Herren der Insel auf die große Markthalle zu, wo noch vor wenigen Tagen mit Sklaven gehandelt worden war. Heute drängte sich dort der Gutteil der Stadtbevölkerung, wobei nicht alle unter dem schützenden Gebäudedach Platz fanden. Die mit Spannung erwartete Rede der selbst ernannten Machthaber veranlasste die Menschen jedoch, auch bei diesem feuchtkalten Wetter am Versammlungsort auszuharren. Selbst die Minenflüchtlinge waren aus ihren neuen Behelfsunterkünften in der Festung herabgeströmt und scharten sich nun mit den bereits wartenden Stadtbewohnern vor den Eingängen der Markthalle.
    Barat ließ für sich und seine drei Gefährten von einer Gruppe aus vierzig voll gerüsteten und gut bewaffneten Minenarbeitern eine Gasse durch die Menschenmenge bahnen. Im Zentrum der Markthalle waren einige der Tische, die bisher den Finanzsekretären beim Ankauf der Sklaven als Schreibpult gedient hatten, zusammengeschoben worden, sodass eine kleine Tribüne entstanden war. Auf diese kletterten Barat, Rai, Kawrin und Erbukas nun hinauf.
    »Na, das nenne ich mal einen frostigen Empfang«, flüsterte Kawrin, nachdem er sich von ihrer erhöhten Position aus einen ersten Eindruck von der Stimmung der wartenden Menge verschafft hatte. »Ich hoffe, das liegt am Wetter.«
    Mit einem flauen Gefühl in der Magengegend ließ nun auch Rai seinen Blick über die Köpfe der Zuhörer schweifen. Ihre Zahl überstieg wahrscheinlich die Tausend, wobei aus den Gesichtern neben erwartungsvoller Spannung auch nicht selten Ablehnung oder gar grimmige Wut abzulesen war. Denn wider Erwarten hatte die Stadtbevölkerung den Machtwechsel auf der Insel nicht stillschweigend hingenommen. Besonders nachdem alle der über dreihundert ehemaligen Zwangsarbeiter des Bergwerks nach ihrer Befreiung in die Stadt gebracht worden waren, begannen sich die Stadtbewohner zunehmend feindselig zu verhalten. Rai musste jedoch zugeben, dass er diese Reaktion in gewisser Weise nachvollziehen konnte. Denn bei den ehemaligen Minenarbeitern handelte es sich zumeist um vollkommen ausgemergelte Kinder, die erst einmal durch reichlich Nahrung aufgepäppelt werden mussten. Vorerst sollte dies mit den Vorräten der Festung geschehen. Aber natürlich war den Bewohnern von Andobras klar, dass sie zur Versorgung der Hunderte von Minenarbeitern ebenfalls einen beträchtlichen Beitrag würden leisten müssen, sobald die Nahrungsmittel der Burganlage aufgebraucht waren.
    Zusätzlich erzürnt hatte die Andobrasier das Anheben der schweren Sperrkette am Eingang des Hafens, was vorläufig das Verlassen der Insel und auch jeglichen Handel mit Schiffen vom Festland unmöglich machte. Erbukas, Kawrin, Rai und Barat hatten sich nach langer Diskussion zu dieser vorübergehenden Sicherheitsmaßnahme entschlossen, um ein wenig Zeit zu gewinnen und die überstürzte Flucht der Stadtbewohner oder das überraschende Anlanden eines Kriegsschiffes aus Tilet zu verhindern. Es gab an beiden Enden der Kette eine Winde, mit der die vielgliedrige Eisenbarriere angehoben werden konnte. Eine dieser Hebevorrichtungen befand sich in dem Leuchtturm gegenüber dem Festungsplateau, die andere in einer lediglich über die Burg zu erreichenden Felsenkammer. Da der Leuchtturm derzeit unbemannt war und von den neuen Machthabern stets gut verschlossen gehalten wurde, konnte allein von der Wehranlage aus die Sperrkette bewegt und damit der Hafen, die Lebensader der Stadt Andobras, beherrscht werden.
    Aber diese Einschränkung hatte die Andobrasier an den Rand eines offenen Aufruhrs gebracht. Es war höchste Zeit, dass die neuen Herren der Insel das Wort an die Stadtbewohner richteten, um ihnen die mannigfaltigen neuen Möglichkeiten zu verdeutlichen, die sich nach dem Machtwechsel für sie ergaben. Barats Idee von der »freien Insel« musste den Leuten erst noch schmackhaft gemacht werden, damit bei der Umsetzung dieses Vorhabens nicht eine massenhafte Flucht in Richtung Festland einsetzte. Denn ob es
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