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Das verlorene Kind

Titel: Das verlorene Kind
Autoren: Rahel Sanzara
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Tagelöhner, wurde herbeigerufen und erklärte sich bereit, die
Geschändete zu heiraten. Doch die Magd wehrte sich dagegen in höchstem
Entsetzen und flehte die Herrin an, sie bei sich, im Hause zu behalten.
Nun begann der Mann um sie zu werben, von einem plötzlich erwachten
Gefühl ergriffen, doch Emma wies ihn ab, floh, wenn sie seiner
ansichtig wurde, und begegnete ihm nie mehr allein. Als dann ihre
Schwangerschaft bemerkt wurde, bestand die Herrin auf der Heirat, und
sie wurde still vollzogen. Doch blieb die Magd auf ihr inständiges
Flehen im Hause, erwartete da die Geburt des Kindes. Dem Mann hielt sie
sich fern, mied selbst seinen entsetzensvollen Anblick. Die Herrin nahm
teil an der Erwartung des Kindes, half ihr seine kleine Wäsche nähen
und stand ihr bei der Geburt selbst zur Seite. Mit einer sie bis ins
Innerste befriedenden Seligkeit fühlte die junge Mutter die Schmerzen
der Geburt den Weg zurückgehen, auf dem sie die Schmerzen der Schändung
empfangen hatte, und das Dasein ihres Kindes da aufsteigen, wo der
Anblick des Entsetzlichen versunken war. Glück der Seele und Reinheit
des Körpers schien ihr wiedergeschenkt.
    Als einige Tage nachher der Mann von dem Gut verschwunden war, ohne
Nachricht oder Zeichen zu geben, ließ sie nicht weiter nach ihm
forschen und begann ihr Leben in neuem Frieden, in der Liebe zu ihrem
Kinde und in dem Glück zu leben, das es ihr schenkte. Die qualvolle
Erinnerung sank zurück, als sie in Treuen, ihrer neuen Heimat,
eingezogen war, die sie nie mehr verlassen sollte.
    Sie nährte nun beide Kinder mit dem Reichtum ihrer
mütterlichen Nahrung und blickte mit der gleichen Rührung, mit der
gleichen Zärtlichkeit auf jedes der kleinen Häupter an ihrer Brust
nieder, auf das dunkel behaarte des Herrschaftssohnes wie auf das
golden umlockte ihres eigenen Kindes.

Nach einem Jahr brachte die Frau des Pächters einen zweiten
Sohn zur Welt, dunklen Hauptes und ähnlich ihr selbst, gleich dem
ersten. Emma, gut und vertraut gehalten von dem Herrn und der Frau,
pflegte nun alle drei, zog sie auf, bereitete ihnen ihre erste Kindheit
voll tiefster, herzlicher Hingabe, voller Glück über die eigene
gerettete Jugend. Sie erhielt eine Stube angewiesen, in der sie allein
mit den drei Kindern schlief, sie durfte Tag und Nacht um sie sein. Sie
trug sie im Sommer, zwei auf ihren jungen, starken Armen, das dritte in
der Wiege ihres aufgeschürzten Kleides, mit scherzend schaukelndem Gang
über die Felder an den Rand des Waldes, wo sie sich mit ihnen
niederließ und nicht müde wurde, ihren Spielen, ihrem Lachen zu dienen;
von den winzigen Gesichtern der Kleinen, von ihren lallenden Lauten,
ihren weichen, hilfebedürftigen Körpern empfing sie, die mädchenhafte
Mutter, alles Glück ihres Lebens. Hatte ihr Kind, als sie es mit
Schmerzen geboren, sie wieder versöhnt mit ihrem Schicksal, ihre
entsetzte Seele wieder begütigt, so liebte sie es jetzt doch nicht
tiefer als die beiden anderen Kinder. Ja, da die beiden Kinder der Frau
schwächer als das ihre und durch das dunkle Haar und die dunklen Augen
fremder von Ansehen waren, fühlte sie tiefere Sorgfalt noch für sie und
erwies ihnen zartere Pflege, weichere Liebkosungen als dem eigenen.
    Die beiden Söhne des Herrn hießen Karl und Gustav. Sie wuchsen
später zu der stattlichen Größe des Vaters auf. Sie entwickelten einen
guten Charakter, wurden fleißig und klug.
    Der Sohn der Magd hieß Fritz. Er war von seiner Geburt an ein
ungewöhnlich schönes und starkes Kind. Er hatte das sanfte Antlitz der
Mutter, ihre Augen von tiefem Blau, ihr lichtes Haar, den schönen
kraftvollen Leib. Er schlief viel, weinte nie und ward der Mutter nie
zur Last. Er nahm beim Wachsen stetig zu an Kraft und Gesundheit, lief
als erstes von den drei Kindern und begann bald, sich in Spiel und
Gewohnheiten von den beiden anderen abzusondern. Dagegen lernte er sehr
spät sprechen und war ungewöhnlich still und sanft Obwohl er ohne jeden
Unterschied mit den Kindern des Herrn aufwuchs und sie wie Brüder alle
gemeinsam gehalten wurden, zeigte er doch immer mehr, in dem Maße, als
Charakter und Gewohnheit sich entwickelten, eine sonderbare Demut gegen
den Herrn und die Frau, auch gegen die Brüder selbst, einen
leidenschaftlichen Hang, zu dienen, zu arbeiten und gefällig zu sein.
Als vierjähriges Kind schon drängte er sich zur Arbeit. Er schlich sich
von den spielenden Knaben fort, lauerte still in
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