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Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall

Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall

Titel: Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
Autoren: David Hewson , Soren Sveistrup
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betest, dass so etwas nie wieder …«
    Er wurde wütend. Musste schreien.
    »Nie wieder zurückkommt und dich verfolgt. Ich kann dich nicht zweimal retten. Auch nicht, wenn ich es wollte.«
    Jemand klopfte an die Windschutzscheibe. Ein hageres, ausgezehrtes Gesicht, früher mal hübsch. Ein Vesterbro-Mädchen, das Vagn Skærbæk irgendwie bekannt vorkam.
    »Weinst du?«, fragte sie und schien überrascht.
    Er legte den Gang ein. Fuhr los, weg aus dieser Gegend. Neben ihm saß Theis Birk Larsen und hielt die Kette fest in der Hand. Starrte das schwarze Herz an.
    »Steck sie ein«, befahl Skærbæk und überzeugte sich, dass er es tat. »Die behältst du. Du siehst sie dir an, wenn das nächste Mal irgendein Vollidiot daherkommt und dir irgendwelche Flausen in deinen blöden Kopf setzen will. Ich will, dass du nachdenkst …«
    Schulden machen, Schulden zurückzahlen. Sie waren Straßenjungen aus Vesterbro, und sie lebten am Rande, so würde es immer sein. Umso wichtiger war es, dass sie nie vergaßen, wie leicht es war, auszurutschen und endgültig abzustürzen.
    »Du sollst denken, dass wir, wenn du die Kette jemals hergibst, eines Tages wieder in diesem Albtraum stecken werden. Weil du das Monster wieder rausgelassen hast.«
    Keine Antwort.
    Wir sind nicht so, dachte er. Noch nicht ganz.
    Vesterbro. Verdreckte Straßen. Billige Häuser. Nutten und Drogen. Die Welt, wie sie war.
    Eine Kette mit einem schwarzen Herzen. Wie ein Zigeunerfluch. Theis Birk Larsen konnte ihn mit ins Grab nehmen.
    »Du willst doch nicht, dass es so kommt«, sagte Vagn Skærbæk und fuhr über die holprige kopfsteingepflasterte Straße. »Niemand will das.«
    Lund lieh sich am Bahnhof ein Fahrrad und fuhr durch den eisigen Regen ins Sumpf- und Waldland hinaus. Fand die niedrige Eisenbrücke, setzte sich auf die Betonträger, schob die Arme durch das Geländer, ließ die Füße über dem Kanal baumeln. So wie Amir El’ Namen in der Woche zuvor mit seinem traurigen Blumenstrauß dagesessen und in das schwarze Wasser geweint hatte, in dem Nanna gestorben war.
    Es war alles auf den Fotos und in den Unterlagen, die Jansen für sie zusammengetragen hatte. Das allein reichte schon aus. Eigentlich brauchte sie Meyer nicht. Das war Feigheit ihrerseits. Sogar Brix würde ihr zuhören, wenn sie es dringlich genug machte. Wenn …
    Sie stellte diese Entscheidung zurück und machte eine Bestandsaufnahme dessen, was sie wusste: Nanna wollte weg und nahm Andenken mit. Auch eines, das sie an ihren Vater erinnerte, der nie die Ärmel hochkrempelte, wenn er arbeitete oder den Abwasch machte, nie seine nackten Arme sehen ließ, wenn die Polizei in der Nähe war. Aber ein Kind bekam diese alten Tattoos natürlich zu sehen. Ein Kind würde den Zusammenhang herstellen, wenn es eine Kette mit einem schwarzen Herzen in einer verschlossenen Schublade fand. Und eine liebevolle Tochter, die durchbrannte, würde ein Andenken auf die Reise mitnehmen wollen.
    Vagn hatte das getan, was er getan hatte, weil er nun einmal so war. Der Mann, der alles richtete, der alles am Laufen hielt.
    Nanna war aus Humleby verschwunden. In dem Keller war Blut gewesen, und die Spur führte in den Pfingstwald.
    Sie alle waren Zigeuner. Das hatte Lonstrups Tochter gesagt. Wege, die sich im Lauf der Jahre ständig kreuzen, beim Schleppen von Möbeln, beim Abschließen krummer Geschäfte. Theis, Vagn und die Kreatur namens John Lynge, der Mann, den sie erst gejagt und dann wieder freigelassen hatten, der in der tristen Unterwelt von Vesterbro zu überleben versucht hatte.
    Sie griff in ihre blaue Regenjacke. Der Nieselregen überlegte, ob er in Schnee übergehen sollte, ließ sich auf ihr nieder, ließ ihre Wangen gefrieren, bewirkte, dass ihr Pferdeschwanz sich am Nacken eisig anfühlte.
    Lund nahm das letzte Foto heraus. Das sie Meyer nicht gezeigt hatte.
    Vor 21 Jahren. Ein ausgebleichter Kodacolor-Abzug. Vor einem Hippie-Haus in Christiania, mit bunten Peace-and-Love-Zeichen geschmückt. Drei Personen. In der Mitte Mette Hauge, die Haare lang und strähnig, das Gesicht leer, zugedröhnt. Eine Unschuldige, die vom geraden Weg abgekommen war, aus Neugier und kindlichem Lebenshunger. So wie einst auch Pernille. Und Nanna. Links von Mette ein langhaariger Mann mit einem Zapata-Schnurrbart, gefurchter Stirn, dunklen, tiefliegenden Augen und einer ziemlich frischen Narbe quer über die rechte Wange. Wenn man sich das Haar wegdachte. Die Narbe altern ließ. Den Schnurrbart stutzte und grau
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