Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall

Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall

Titel: Das Verbrechen: Kommissarin Lunds 1. Fall
Autoren: David Hewson , Soren Sveistrup
Vom Netzwerk:
Jacke, zog sich die Kapuze ins Gesicht und blieb stehen, bis sie außer Sichtweite waren. Dann ging sie zur Anmeldung des Krankenhauses und kämpfte darum, vorgelassen zu werden. Es dauerte zehn Minuten. Schließlich wurde sie zu einem Einzelzimmer am Ende eines langen weißgetünchten Flurs geführt. Zahlen würde es die Polizei. Unter diesen Umständen war sie dazu verpflichtet. Sie ging hinein und war im ersten Moment geblendet von dem Licht, das durch die hohen Fenster hereinfiel. Davor eine Gestalt. Weißer Krankenhauskittel, darunter ein blauer Schlafanzug. Ein silberner Rollstuhl. Blasses Gesicht, unrasiert. Große Ohren. Die Froschaugen trauriger denn je. Ein Behälter mit Kochsalzlösung am Infusionsständer, ein Schlauch, der in den linken Handrücken führte.
    Der Fernseher lief. Troels Hartmanns Krönung zum Oberbürgermeister von Kopenhagen. Er ließ sich in seinem Sessel im Rathaussaal nieder, winkte majestätisch dem Publikum zu, das dem neuen Herrn des Rathauses stehend applaudierte. Jung und stark. Voller Tatendrang und Hoffnung.
    Hoffnung .
    Meyer saß an einem runden Tisch. Er hatte ein kurzes Messer in der Hand und schälte ganz langsam einen Apfel, die herabhängende Schale schaukelte mit jeder seiner trägen Bewegungen auf und ab.
    »Ich hab dir was mitgebracht«, sagte Lund und zog zwei Bananen aus der Tasche.
    Er sah die gelben Früchte an, ohne eine Miene zu verziehen.
    »Ich hab gewusst, dass du’s schaffen würdest. Ich konnte mir deinen Namen einfach nicht an einer Wand im Präsidium vorstellen.«
    Hellblauer Schlafanzug, weißer Kittel. Im Fernseher begann Hartmann seine Rede.
    »Mistkerl«, murmelte Meyer.
    Schöne Worte. Noble Vorsätze. Poul Bremers würdiger Nachfolger.
    »Der denkt …«, Meyer suchte nach den richtigen Worten. »Der denkt, nicht schuldig zu sein ist dasselbe wie unschuldig zu sein. Das tun sie alle. Sie waschen einfach ihre Hände …«
    »Ich brauche …«
    »Die haben uns belogen. Die Schüler. Der Lehrer. Diese Hurensöhne ihm Rathaus.«
    »Du musst …«
    »Jeder Einzelne. Denen war Nanna scheißegal. Es ging ihnen immer nur um sie selbst.«
    Er griff nach der Fernbedienung. Hartmann kam in Fahrt. Sprach von Verantwortung und sozialem Zusammenhalt. Integration und nachhaltiger Entwicklung.
    Der Fall Birk Larsen war gestorben, ein für alle Mal ad acta gelegt. In der Presse war er an diesem Vormittag mit keiner Silbe erwähnt worden. Meyer schaltete den Fernseher aus. Die Stille lastete im Raum. Lund zog Jansens Mappe aus ihrer Jacke. Er sah zu, wie sie den Inhalt neben die Bananen auf den Tisch leerte. Fotos. Neue.
    »Was willst du?«, fragte er mit hoher, heiserer Stimme.
    »Es gibt was, das du wissen musst. Etwas …«
    Es wirbelte ihr im Kopf herum, hatte angefangen, kurz nachdem Vagn Skærbæk gestorben war, und seitdem nicht wieder aufgehört. Jansens Fotos hatten bewirkt, dass sich dieses Karussell in ihrem Kopf immer schneller drehte. Es gab Beweise. Es gab Punkte, die förmlich danach schrien, miteinander verbunden zu werden. Wenn ihr nur jemand dabei helfen würde. Jemand, der ihr vertraute.
    »Schau«, sagte sie. »Ich sehe es. Also kannst du es auch sehen.«
    Durch den dunklen Wald, dessen kahle Bäume keinen Schutz bieten, rennt Mette Hauge. Atemlos, zitternd in ihrem zerrissenen Hemd und ihren zerfransten Jeans, barfuß, in dem zähen Matsch strauchelnd. Harte Wurzeln haken sich um ihre Knöchel, dichtes Gestrüpp zerkratzt ihre wild rudernden kräftigen Arme. Sie stürzt, fängt sich wieder, kämpft sich aus stinkenden Tümpeln hoch, versucht das Zähneklappern zu stoppen, versucht zu denken, zu hoffen, sich zu verstecken. Zwei helle Strahlen verfolgen sie wie ein Jäger das angeschossene Wild. Im Zickzack, langsam näher rückend, bewegen sie sich durch den Pinseskoven, den Pfingstwald. Kahle silberne Stämme ragen aus dem kargen Boden wie Gliedmaßen uralter, versteinerter Leichen.
    Wieder ein Sturz, der schlimmste. Der Boden unter ihr verschwindet und mit ihm ihre Beine. Um sich schlagend, aufschreiend vor Schmerz und Verzweiflung, stürzt das Mädchen in den sumpfigen, eiskalten Graben, prallt gegen Steine und Holz, paddelt durch scharfkantigen Schotter, spürt, wie ihr Kopf und ihre Hände, ihre Ellbogen, ihre Knie über den harten Untergrund schrammen. Das kalte Wasser, die Angst, und die Männer, nicht mehr weit …
    Ein rasender Sturm tobt durch ihren Kopf. Sie denkt an ihre Eltern, allein in dem fernen Bauernhaus. Eine kleine, stille
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher