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Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen

Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen

Titel: Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen
Autoren: Margaret Weis
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bereits lauter. Jetzt hatten die Dorfbewohner ihren Sündenbock. Sie wollten Blut sehen.
    Drakonas redete schon wieder drängend auf sie ein. Sie hörte seine Stimme wie aus weiter Ferne, denn sie ging in dem Geschrei unter, aber auch in Melisandes letzten Worten: »Sorge für meine Söhne.«
    Halb blind vor Tränen umklammerte Bellona das Baby und floh von dem blutigen Bett. Sie rannte vor dem Tod der Frau davon, die sie geliebt hatte, seit sie zu bewusster Liebe fähig war. Im Gehen stolperte sie über die Leichen, trat sie beiseite und verharrte dann kurz in der Tür. Sie sah die Menschen den Hügel heraufstapfen. Nein, sie würde nicht vor ihnen davonrennen, beschloss sie. Ruhig trat sie hinaus. Das Kind in ihren Armen beklagte sich nicht, sondern hielt ganz still, als wüsste es um die Gefahr. Bellona schritt den Hang hinter dem Haus hinab und hielt auf den Wald zu, der sie und das Kind verschlucken würde.
    Erst später, als sie zwischen den grünen Bäumen in Sicherheit waren, sollten ihr Drakonas' letzte Worte wieder einfallen.
    »An dem Tag, an dem der Drachensohn erfahren möchte, was und wer er ist, bringt Ihr ihn hierher ans Grab seiner Mutter.«
    Drakonas stand im Eingang der Hütte. Mit seinem inneren Auge sah er zu, wie einer von Melisandes Söhnen nach Ramsgate-upon-the-Aston ritt, wo eine liebevolle Mutter ihn im Königshaus aufnehmen würde. Ihn erwartete ein angenehmes, leichtes Leben. Er sah auch, wie Melisandes zweiter Sohn schon in den ersten Stunden seines Lebens um sein Leben bangen musste. Dieses Kind würde von einer Frau erzogen werden, der es schwer fallen würde, ihn zu lieben. Sein Leben würde einsam sein, voller Wut und Qual.
    Drakonas sah den beiden nach, bis sie verblassten. Dann ging er daran, sein Versprechen zu erfüllen.
    Melisande lag auf den blutigen Laken der Geburt, so wie die Kinder in ihrem Blut gelegen hatten. Er legte ihr die rechte Hand auf die Brust. Dann hob er ihre linke Hand und umfasste das kalte, weiße Fleisch mit der seinen. Er berührte sie sehr zart, denn er dachte an seine Klauen, die niemand sehen konnte außer ihm selbst.
    »Das habe ich nie gewollt, Melisande«, flüsterte er. »Es tut mir Leid.«
    Jetzt legte er ihre linke Hand auf die andere, nahm sie hoch und verließ das Haus. Auf der Schwelle sah er schweigend dem anstürmenden Mob entgegen. Seine gefasste Haltung überraschte die Menschen, und der Anblick der durchscheinenden Toten mit dem weißen Gesicht und den langen, hellen Haaren, die bis zum Boden reichten, führte dazu, dass sie Schaufeln und Mistgabeln sinken ließen. Verunsichert sahen sie den Einsiedler an.
    »Das Kind muss noch drinnen sein!«, hetzte die Hebamme von hinten. »Es ist ein Dämon, sag ich euch!«
    Grollend näherten sich die vordersten Männer aus der Menge. Drakonas warf einen Blick nach hinten.
    Da ging das Haus lodernd in Flammen auf. Es wurde so heiß, dass die Vordersten ihre Gesichter abwenden mussten.
    Eilig wichen die erschrockenen Dorfbewohner zurück, stolperten gegeneinander, zogen die Köpfe ein und rannten wieder den Hang hinunter. Die Hebamme kreischte unablässig, nun sei der Teufel persönlich gekommen.
    Drakonas trug Melisande die Straße zum Fluss hinunter.

Quellenangaben
    Im Text wurden folgende Lieder in deutscher Übersetzung und in der angegebenen Reihenfolge zitiert:
     
    »Deuil Angoissé« von Christine de Pisan
    »When to Her Lute Corinna Sings« von Thomas Campion
    »With Garments Flowing« von John Clare
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