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Das verborgene Netz

Das verborgene Netz

Titel: Das verborgene Netz
Autoren: Oliver Bottini
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neuen GoSolar-Mitarbeiter in das Multifunktionsgerät gezogen wurde.
    Rufen Sie an, wenn’s regnet, dann bringe ich Ihnen einen Schirm vorbei.
    Eine Pizza wäre mir lieber.
    Der kurze Abschied, anschließend Stille.
    Sekunden verstrichen, in denen Mayerhöfers Augen durch den Raum wanderten und schließlich auf Louise liegenblieben.
    Sie erwiderte den Blick, während sie wartete.
    Steinhoff hatte keine zwanzig Minuten, nachdem sie Mayerhöfers Büro am Vortag verlassen hatte, gewusst, dass sie die Namen hatte, darunter die der acht Maulwürfe – um dreizehn Uhr neunundvierzig hatte er Mike informiert. Er
konnte
es nur von Mayerhöfer erfahren haben.
    Oder, dachte sie, von jemandem, der Mayerhöfers Gespräch mit ihr doch noch abgehört und sofort zum Telefon gegriffen hatte. Oder von jemandem, der Mayerhöfers Computerbefehle überwacht hatte – sie hatte die Liste aus den Daten der Personalabteilung zusammengestellt.
    Louise spürte, dass sie zu schwitzen begonnen hatte. Immer mehr Zweifel kamen. Annette Mayerhöfer hatte sich, abgesehen von ihrer Hamburg-Lüge, in keiner Weise verdächtig gemacht. Sie wäre lediglich das perfekte Missing Link, das fehlende Puzzleteil, mit dem sich das komplexe Bild erklären ließe. Das Bild, das Louise sich gemacht hatte … Vielleicht existierte ja ein weiteres, ganz anderes Bild, das sie aus unerfindlichen Gründen nie hatte sehen wollen und das viel mehr Abbild der Realität war als ihres.
    Eine albtraumhafte Vorstellung, die ihr die Übelkeit in den Magen trieb. Am liebsten wäre sie aufgestanden und gegangen, um nicht erleben zu müssen, dass diese Vorstellung Wirklichkeit wurde. Sie wollte nach Hause, sich dort verkriechen – und wusste plötzlich nicht mehr, wo das war, zu Hause. Die Wohnung am Annaplatz war es nicht, auch nicht Bens Apartment im Stühlinger, das Häuschen ihrer Mutter in der Provence, Kehl mit ihrem Vater und dem neuen Bruder.
    Irgendwohin nach Hause.
    Annette Mayerhöfers klare Konturen hatten sich aufgelöst, waren unscharf und zittrig geworden. Louise ließ die Tränen laufen, es war ihr gleichgültig, und genauso gleichgültig war ihr, dass mit den Tränen das Summen aus ihrem Kopf hinauszufließen schien und plötzlich Ruhe und Leichtigkeit herrschten da oben in der Mitte. Jetzt ging es nur noch darum, die Kraft zu finden, aufzustehen, irgendeinem
Kollegen ein paar abschließende Worte zu sagen, sich ins Auto zu setzen, heil in die Wiehre zu kommen.
    Dem Drang nach einem Gläschen zu widerstehen. Zu schlafen.
    Später einem Mann, der im Koma lag, über die Wange zu streicheln, morgen einem Mann, der aus einem Flugzeug stieg, in die Arme zu fallen.
    Einen Koffer zu packen. Irgendwohin nach Hause zu fahren.
    Aus dem Rekorder drang Mayerhöfers gedämpfte Stimme.
    Sie hat die Namen … Nein … Hans … Hör mir einen Moment zu, okay? … Hans! … Die Operation wird abgebrochen … Richtig. Informier deine Leute, sie müssen verschwinden … Was? … Wohin fährt er? … Scheiße, du musst ihn aus dem Verkehr ziehen! Sie darf nicht mit ihm sprechen, sie glaubt, er gehört zu uns, und wenn sie erfährt … Ja, ja, weiß ich, ich schick dir Claude
...
    Dann war das Gespräch beendet.
    Louise wischte sich die Wangen mit einem Taschentuch trocken, schnäuzte sich die Nase. Nach wie vor lag Mayerhöfers Blick starr auf ihr und zeigte keine Regung.
    Wieder erklang ihre Stimme aus dem Rekorder, diesmal sprach sie Französisch, am anderen Ende der Leitung Claude, ein schmächtiger Mann in dunkler Kleidung, der aus der Dreisam stieg, ein überheblicher Profi, der in hastigen Worten den Auftrag erhielt, sich mit Steinhoff in Verbindung zu setzen und gemeinsam mit ihm einen Mann namens Philipp Schulz aus dem Verkehr zu ziehen und später, sobald sich die Gelegenheit ergäbe, Steinhoff selbst.
    Louise stoppte das Band. Die Tränen liefen weiter. »Verdammt,
Sie s
ollten heulen, nicht ich.«
    Sie sank zurück, bis die weiche Lehne des Sessels sie hielt. Die Staatsanwaltschaft würde sich über die Art des Beweises nicht gerade freuen – eine illegale Aufzeichnung vertraulich gesprochener Worte, erstellt immerhin nicht von einer Ermittlungsbehörde, was verheerend gewesen wäre, sondern von Straftätern, was den Beweis vor Gericht vermutlich zulässig machte. Die Früchte des vergifteten Baumes waren hierzulande schmackhaft.
    Aber damit sollten sich andere herumschlagen.
    »Dieses ganze Getue um Philipp Schulz … Ein Flirt, ein nichtplatonisches Finale … So
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