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Das verborgene Netz

Das verborgene Netz

Titel: Das verborgene Netz
Autoren: Oliver Bottini
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hat mich schon lange niemand mehr verkohlt.« Sie lachte beeindruckt und ein bisschen beleidigt. Sie hatte sich auf ganzer Linie ins Bockshorn jagen lassen. Hatte an den unsichtbaren Fäden in den Händen Mayerhöfers getanzt wie Steinhoff, Mike, Esther und all die anderen Beteiligten
    Sie drehte den Kopf, um Mayerhöfer anschauen, zumindest den dunklen Flecken sehen zu können. Auch während sie ihr die Gründe für die vorläufige Festnahme vortrug – Verdacht auf Anstiftung zu zwei Morden, auf Bildung einer kriminellen Vereinigung, auf Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes, auf Verstoß gegen §  17 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb –, rührte Mayerhöfer keine Miene, als wäre ihr alles egal. Louise ahnte, dass der Eindruck trog. Mayerhöfer stellte eine Kosten-Nutzen-Rechnung auf.
    Im Verlauf ihres Gesprächs am Vortag musste sie begriffen haben, dass die Operation und sie selbst gefährdet waren. Innerhalb von wenigen Sekunden hatte sie von Ablenkung – der Flirt mit Schulz – auf Kooperation umgeschaltet – den Flirt abgeschrieben, ohne Not von Heinrich Willert erzählt. Der riskante Versuch, sich den Rücken für
ein paar weitere Tage freizuhalten, indem sie deutlich mehr gegeben hatte, als von ihr verlangt worden war.
    Vielleicht hätte es funktioniert, wenn Louise nicht um die Liste mit den Namen gebeten hätte. Da hatte Mayerhöfer gewusst, dass die Operation nicht nur gefährdet, sondern gescheitert war.
    Sie war ruhig geblieben, an diesem Morgen ins Büro gekommen, um wenige Stunden später für immer zu verschwinden. Ein kapitaler Fehler, aber das hatte sie nicht wissen können.
    »Was ich immer noch nicht verstehe … Solarzellen für Autos, das ist doch höchstens ein Nischenmarkt, oder hab ich das falsch verstanden? Da verdient man doch noch jahrelang kein Geld. Und deswegen werden zwei Menschen ermordet und eine Firma zerstört?«
    »Lassen Sie das Band weiterlaufen«, sagte Mayerhöfer statt einer Antwort.
    Louise drückte auf »Play«.
    Ein paar Sekunden Rauschen, ein geflüstertes
»Scheiße!«
. Dann Mayerhöfers klare Stimme, wieder sprach sie Französisch, es ist vorbei, es bleibt nicht mehr viel Zeit, aber wir haben ja, was wir brauchen, und GoSolar wird es nicht überstehen, nein, noch keine Gefahr, die Spuren zu mir werden gelöscht, und bis sie Verdacht schöpfen, bin ich längst bei dir … Ich melde mich morgen Abend,
je t’aime
. Die Stimme war von einem Moment auf den anderen sanft geworden, als hätten die Wörter
»chez toi«
einen automatischen Moduswechsel ausgelöst. Wie bloße akustische Reize, die eine Klangänderung bewirkten, weil irgendein neurobiologisches Gesetz dies verlangte.
    Mayerhöfers Zeigefinger wies auf den Rekorder. »Das war’s.«
    Louise drückte die »Stopp«-Taste. Sie ahnte, weshalb sie dieses letzte Telefonat hatte hören sollen. Ein weiterer Schritt aus Berechnung, eine liebende Täterin, sie sollte weichgekocht werden. Mayerhöfer schien zu spüren, dass Louise auf dünnes Eis geriet in diesen Tagen, wenn es um Liebe ging.
    »Sie schicken nicht zwei Menschen aus
Liebe
in den Tod«, sagte sie. »Das passt nicht zu Ihnen.«
    »Natürlich nicht. Man hat nur Erfolg, wenn man konsequent ist. In einem Jahr hätte ich im Vorstand von … « Mayerhöfer hob die Brauen. »Hätte ich in einem Vorstand gesessen und sehr viel Geld verdient.«
    »Und den ganzen Tag Französisch geredet?«
    »Haben wir einen Deal? Ich sage aus, und Sie sorgen für Strafminderung?«
    Louise schüttelte den Kopf. »Nicht bei Mord.«
    »Aber ein Geständnis würde sich positiv auswirken?«
    »Kommt auf den Richter an.«
    »Dann ist das der Deal. Ja, ich hätte den ganzen Tag Französisch geredet.«
    »Ich kann Ihnen nichts versprechen, Frau Mayerhöfer.«
    »Mein Risiko.«
    Wie froh sie war, dachte Louise, dass sie bald nichts mehr mit Menschen wie Annette Mayerhöfer zu tun haben würde. All den kaltblütigen oder hitzköpfigen Kriminellen, die sich zu Herrschern über Leben und Tod aufgeschwungen hatten und ihre Tage und Nächte bevölkerten.
    An deren Fäden sie tanzen musste.
    »Welche Firma?«
    »Soleilfrance.«
    Louise zuckte die Achseln. Nie gehört, aber das war nicht weiter verwunderlich. »Und Sie haben private Beziehungen zu Soleilfrance?«
    »Seit einem Urlaub in Nizza vor fünf Jahren.«
    »Wie heißt er?«
    »Georges Lapierre.«
    Für eine Weile fiel kein Wort. Mayerhöfer schien auf weitere Fragen zu warten, Louise überlegte, ob sie erneut
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