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Das verborgene Netz

Das verborgene Netz

Titel: Das verborgene Netz
Autoren: Oliver Bottini
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empfand sie den Gedanken als verlockend. Heimfahren, all das hinter sich lassen, die Demütigung, ihr waghalsiges Spiel, die letzten Stunden.
    Doch dann wäre die Fahndung nach Mike weitergelaufen, und irgendwann hätte man ihn gefasst und wegen zweifachen Mordes angeklagt. Wenigstens das wollte sie sich nicht vorwerfen müssen.
    Plötzlich waren die Autos fort, der Parkplatz fast leer. Rolf Bermann lehnte, das Handy am Ohr, an seinem Wagen.
    Dann war auch Bermann fort.
     
    Im zweiten Stock war das Stimmengemurmel deutlicher zu hören. Wieder klingelte am Empfang ein Telefon, ein zweites
kam dazu. Draußen wurde die Ordnung der Autoreihen von hastigen Bewegungen gestört. Ein Junge rannte quer über den Parkplatz, schlängelte sich im Zickzack an den Wagen vorbei. Auf dem Fußweg, der zum Eingang des Gebäudes führte, wurde er von einer Schutzpolizistin gestoppt.
    Louise blieb stehen.
    Die Polizistin verdeckte den Jungen, und Louise sah nur einen schmalen Arm, der sich hob und zur Straße wies. Dann wandte sich die Polizistin um und führte den Jungen unter dem Solarpanzer hindurch zum Eingang.
    Louise ging zur Brüstung. Zehn Meter unter ihr betraten die beiden das Foyer. Jetzt erkannte sie die Kollegin – Hesse vom Revier Freiburg-Süd, die sie während des Falls »Merzhausen« kennengelernt hatte. Sie hielt einen rechteckigen silbernen Gegenstand in der Hand, hatte den Jungen an die andere genommen. Vor dem Empfang sprach sie mit einem uniformierten Kollegen, wurde an Peter Schöne verwiesen, der ein paar Meter weiter auf einem grünen Polstersessel saß und an einem Kaffeebecher nippte.
    Schöne zog ein Telefon hervor.
    Ihr Handy klingelte.
    »Post für dich. Wo bist du?«
    »Direkt über euch«, sagte sie.
     
    Ein Mann, der sehr müde aussah und schlecht roch, ein Freund der Kommissarin Louise Bonì. Gib ihr das, hatte er gesagt, sie wartet darauf.
    Sie starrte auf den Digitalrekorder in ihrer Hand.
    » Was machen wir mit dem Jungen?«, fragte Hesse.
    »Lass ihn gehen.«
    Hesse zögerte. »Du erinnerst dich an mich? Merzhausen.«
    »Ja«, sagte Louise.
    »Ich kann das nicht vergessen. Das Feuer, die beiden Kinder.«
    »Nicht jetzt, Kollegin.«
    Louise wandte sich ab, folgte dem Gang, der an dem Großraumbüro vorbei zu den Räumen der Abteilungsleitung führte. Die himmelblauen Buchstaben an der Wand, HEAD OF DEPARTMENT , dann das Schild mit den beiden Frauennamen –
Annette Mayerhöfer / Esther Graf
.

21
    ANNETTE MAYERHÖFER STAND VOR EINEM der Regale in ihrer Hälfte des Büros, einen Ordner in der Hand. An der Seitenwand waren Umzugskartons gestapelt, einer davon geöffnet, Orchideenspitzen schauten heraus.
    »Der letzte Tag … «, sagte Louise.
    Mayerhöfer stellte den Ordner ins Regal, schob die Brille an die Nasenwurzel, dann reichte sie Louise die Hand. »Ja. Und es wird Zeit. Wir gehen in die Insolvenz.«
    »So schnell?«
    »Gestern Nachmittag wurden die Aufträge der Landesbehörden storniert. Allein da entfallen zig Millionen Euro Umsatz, die eingeplant waren. Der Bund wird sich früher oder später sicher auch zurückziehen.«
    »Und ›DriveSolar‹?«
    »Gestorben, die Partner springen ab.« Mayerhöfer zuckte die Achseln. »Das ganze Jahr war Gift für unser Image. Jetzt wurde auch noch ein Mitarbeiter ermordet, und in den Nachrichten hieß es, dass Kripo und Verfassungsschutz ermitteln. Das steht kein mittelständisches Unternehmen durch.«
    »Sie haben also die richtige Entscheidung getroffen.«
    »Ja. Aber das wusste ich schon länger.«
    »Wohin gehen Sie noch mal? Hannover?«
    »Hamburg. Aber erst im Januar.«
    »Und was machen Sie bis dahin?«
    »Urlaub. Dann der Umzug, das wird noch was.« Mayerhöfer
lächelte. »Viele Schuhe, viele Klamotten. Hübsches Outfit übrigens. Steht Ihnen besser als der Jeanskram.«
    »Danke. Für die besonderen Tage.«
    »Haben Sie Geburtstag?«
    Louise schüttelte den Kopf.
    Sie trat an die Fensterfront. Etwa einhundert Meter entfernt lag Gebäude 2 , links dahinter Gebäude 3 , fast identische Würfel, nur deutlich kleiner als Gebäude 1 und ohne die Solarmodule vor der Südseite. Eine schmale, nichtöffentliche Straße und Fußwege verbanden die drei Häuser miteinander, dazwischen lagen Grünflächen mit Bäumen, Bänken, Brunnen. Auch vor den Gebäuden 2 und 3 standen Streifenwagen und uniformierte Kollegen.
    »Und der Fall?«, fragte Mayerhöfer. »Kommen Sie voran?«
    Louise antwortete nicht. Auf dem Gelände der Nachbarfirma stand ein Mann, der zu
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