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Das verborgene Netz

Das verborgene Netz

Titel: Das verborgene Netz
Autoren: Oliver Bottini
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ihr heraufzublicken schien, ein regloser Schatten im sonnenüberfluteten Hof jenseits einer Mauer aus Gebüsch.
    Ein Mann, der sehr müde aussah und schlecht roch, ein Freund der Kommissarin Louise Bonì.
    Sie hob eine Hand. Der Schatten grüßte zurück.
    Dann ging er über den Hof, verschwand um eine Ecke, tauchte nicht mehr auf. Sie spürte einen Stich des Bedauerns. Sie hätte gern mehr über ihn erfahren, sich gern für seine Hilfe erkenntlich gezeigt. Und sie hätte gern erfahren, wie es ihm ergehen würde. Ob er Esther eines Tages kontaktieren würde, ohne Wanzen und Kameras.
    Dann fiel ihr die lange Liste der Straftaten ein, die Mike begangen hatte, und sie wunderte sich darüber, dass ihr das gleichgültig war. Als hätte er allein durch seine Unterstützung Absolution verdient.
    Sie drehte sich um. Zu vieles war durcheinandergeraten.
    »Ja, ich komme voran. Darf ich?« Sie zeigte auf Esther Grafs Schreibtischstuhl.
    »Natürlich.«
    Langsam ließ sie sich auf den schwarzen Rollsessel sinken. Die Lehne gab nach, fing sie in einem unerhört bequemen Winkel auf. Sogar das Summen in ihrem Kopf ließ ein wenig nach. Sie schloss die Augen. »Ich hab einen Kollegen«, sagte sie, »Ernesto Freudenreich, ein komischer Kauz, er trägt im Büro Filzpantoffeln und hat sich im Keller versteckt, um seine Ruhe zu haben. Er arbeitet am liebsten mit dem Internet, hin und wieder telefoniert er auch. Heute Morgen hat er oft telefoniert.« Sie öffnete die Augen. »Er sagt, Sie gehen nicht nach Hamburg. In keinem Unternehmen dort, das sich mit Windkraft befasst, kennt man Ihren Namen.«
    In Mayerhöfers Miene zeigte sich keine Regung. Nur der Blick war ein klein wenig wachsamer geworden.
    Louise nahm den Digitalrekorder aus der Innentasche des Blazers. Er lag angenehm in der Hand, Daumen und Zeigefinger befanden sich exakt auf Höhe der Tasten. Sanft strich sie mit den Fingern über die Oberfläche. Das Gerät sah neu aus, und sie vermutete, dass es erst an diesem Morgen gekauft worden war, in irgendeiner namenlosen Stadt zwischen einem Büro mit Blick auf einen Fluss und Freiburg-Haid.
    »Ich weiß noch nicht, was drauf ist«, sagte sie. »Vielleicht haben Sie Glück.«
    Sie stellte den Rekorder vor sich auf den Schreibtisch, drückte die Play-Taste.
    ... zusehen, wie hier alles vor die Hunde geht, s
agte eine Frauenstimme – Mayerhöfer.
Verstehen Sie?
    Nein,
erwiderte eine zweite Frauenstimme – Louise.
    Pause.
    Mayerhöfer hatte sich an ihren Schreibtisch gesetzt, strich sich langsam die schwarzen Haare aus der Stirn.
    Was wussten Sie? Und warum geht die Firma vor die Hunde?
    Sind Sie nicht wegen der Gerüchte hier?
    Ich dachte, die wären widerlegt?
    Offiziell ja.
    Aber?
    Louise spulte vor. Nicht ihr Gespräch mit Mayerhöfer war wichtig, sondern das, was danach geschehen war.
    Falls danach etwas geschehen war.
    Erst in der vergangenen Nacht am Dreisamufer war sie auf den Gedanken gekommen, dass vielleicht nicht nur Esthers Telefon und Computer überwacht worden waren, sondern auch der Büroraum. Mike hatte es bestätigt – zwei Wanzen, eine Kamera, die am Nachmittag noch aktiv gewesen waren. Gegen Mitternacht hatten seine Leute das Büro gesäubert. Die Aufnahmen dieses Tages waren naturgemäß nicht mehr abgehört worden.
    … schon zu Mittag gegessen?
Die Stimme eines Toten – Philipp Schulz.
    Ja.
    Schade.
    Nehmen Sie die Lasagne, schmeckt hervorragend.
    Mein Leibgericht.
    Das Klicken, als Schulz die Tür zuzog.
    Wow.
Louise.
    Sie können ihn haben, ich fange nichts mit Kollegen an. Aber beeilen Sie sich, die halbe Belegschaft ist hinter ihm her. Auch die Männer.
    Alle Aufnahmen, die während der Überwachung von Esther entstanden waren, hatten Mike oder einer seiner Leute spätabends per E-Mail an seinen Geschäftspartner weitergeleitet und in Freiburg aus Sicherheitsgründen gelöscht. Im Halbschlaf hatte Louise ihn gebeten, sich die fragliche Datei schicken zu lassen. Mike hatte erwidert, dass das nicht möglich sei. Vielleicht hatte sie nachgefragt, vielleicht nicht, auf jeden Fall war ihr klar, weshalb er die Datei persönlich hatte holen müssen: Sein Partner wusste nicht, dass er aussteigen wollte, dass er mit ihr gesprochen hatte.
    Erneut spulte sie vor.
    … meinen Resturlaub antreten würde, hätten Sie das nicht bekommen.
Mayerhöfer.
    Ich weiß. Danke. Kann ich Ihr Fax benutzen?
Louise.
    Nimmt das nie ein Ende?
    Haben Sie einen Stift?
    Schrittgeräusche, dann das Surren, als das Blatt mit den Namen der
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