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Das verborgene Netz

Das verborgene Netz

Titel: Das verborgene Netz
Autoren: Oliver Bottini
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sollte.«
    »Nehmen Sie’s nicht persönlich, Frau Bonì. Ich wollte Zeit gewinnen. Und ich wollte wissen, wer der Mann ist, mit dem Sie sich morgens um drei zu einem Rendezvous am Fluss treffen.«
    »Claude ist mir von Steinhoffs Hotel aus gefolgt?«
    »Ja.«
    »Sie hätten tatsächlich zwei weitere Morde in Kauf genommen.«
    »Wenn Sie die Chance haben, pro Jahr zwei Millionen plus eine Erfolgsbeteiligung zu verdienen und in ein paar Jahren einen riesigen Coup zu landen … Ich mag Geld. Und ich mag es nicht, wenn man versucht, mir etwas wegzunehmen.«
    »Ich habe Ihnen Ihr Geld und Ihre Freiheit genommen.«
    Mayerhöfer lächelte. »Ja, wir werden in diesem Leben wohl keine Freundinnen mehr.«
    Louise nahm den Digitalrekorder, steckte ihn ein, nahm ihr Telefon, wog es in der Hand. Sie ertrug dieses Gespräch nicht länger, Mayerhöfers kühle Freundlichkeit, ihre nüchternen Erklärungen, ihre Unverletzbarkeit. Zum ersten Mal in all den Jahren als Polizistin sehnte sie sich danach, in den Augen eines Straftäters Verzweiflung zu sehen, und das war keine angenehme Erkenntnis.
    Noch immer tanzte sie an Mayerhöfers Fäden.
    Sie wählte Andreles Nummer, bat sie und Graeve in den zweiten Stock herunter. Ein Beweis, ein Geständnis. Ein schaler Triumph an ihrem letzten Tag.
    Sie ließ das Handy sinken. »Es ist Zeit.«
    Mayerhöfer erhob sich. »Kann ich meine Orchideen mitnehmen?«
    »Werden Ihnen zugestellt.«
    »Danke.« Mayerhöfer strich den Blazer glatt und trat zu dem Metallschrank, die Absätze der High Heels klackten stumpf auf dem Teppichboden, ein gedämpftes, doch immer noch energisches Geräusch. Sie nahm eine Handtasche heraus, zog sich mit Hilfe eines an der Innenseite der Tür angebrachten Spiegels Lippen und Lidstrich nach, kämmte sich die Haare. Dann schlüpfte sie in einen leichten Mantel und sagte: »Und Sie?«
    »Ich bleibe noch ein bisschen.«
    Es klopfte, Marianne Andrele trat ein, gefolgt von Reinhard Graeve, die Tür blieb offen, draußen warteten zwei uniformierte Kollegen.
    Andrele sah auf Annette Mayerhöfer, dann auf Louise. »Eine Frau?«
    »Ja.« Louise wandte sich Graeve zu, der schwieg, nichts sagte, was ihre Enttäuschung von vorhin hätte wettmachen können. Mit kleinen, betrübten Augen sah er sie an, als könnten selbst ein Beweis und ein Geständnis s
eine
Enttäuschung nicht wettmachen.
    Sie brachte ihn und Andrele auf den aktuellen Stand, während Mayerhöfer mit stoischer Ruhe dastand, als ginge es nicht um ihren Kopf, sondern um den einer fernen Unbekannten.
    »Das Band«, sagte Andrele.
    Louise reichte es ihr.
    Andrele lächelte knapp. »Was lernen wir daraus? Man kann sich auf Sie verlassen. Man wird es sich merken.« Sie wandte sich Mayerhöfer zu, hob die Hand in Richtung Tür. Mayerhöfer ging voran, geriet kaum merklich ins Taumeln,
als sie mit dem rechten Fuß umknickte, fing sich sofort wieder.
    Das kleine Signal, das Louise gebraucht hatte.
    Die Tür blieb offen, die Schritte entfernten sich.
    »Soll ich Sie nach Hause bringen?«, fragte Graeve sehr leise. Er war neben sie getreten und schien von weit oben auf sie herunterzublicken. Er wirkte nun doch freundlich, aber auch steif und erschöpft und zutiefst betroffen. Sie wollte ihn aufmuntern, alles nicht so wild, Chef, passiert jedem mal, und wir haben es beide ja nicht leicht mit mir. Doch sie brachte kein Wort heraus.
    Irgendwohin nach Hause, dachte sie, und nachdem ihre Sicht vorhin wieder klar geworden war, verschwammen nun Graeves Konturen, und ihre Wangen wurden wieder nass. Sie spürte etwas Sanftes, Leichtes auf ihrer Schulter und rätselte, was da auf sie herabgefallen sein mochte, bis sie begriff, dass sich so nur eine Kripochefhand anfühlen konnte.
    Sie schüttelte den Kopf. »Bringen Sie mich zu Rolf.«
    Der Druck der Hand verstärkte sich, das verschwommene Gesicht kam langsam näher, bis es sich auf einer Höhe mit ihrem befand, als hätte Graeve sich neben sie gekniet. Sie hörte ihn sprechen, wünschte sich, der Quader hätte sich noch in ihrem Kopf befunden und Graeves Worte nicht durchgelassen. Er hatte vor wenigen Minuten einen Anruf aus dem Krankenhaus erhalten. Rolf Bermann war seinen Verletzungen erlegen.

EPILOG
    ÜBER BASEL GLITTEN glitzernde Flugzeuge durch das kräftige Blau des Nachmittagshimmels, ein stummer Zeitlupentanz in der Ferne. Bens Anschlussflug aus München hatte eine halbe Stunde Verspätung, sie wartete im Freien vor der Ankunftshalle auf einer Bank, beobachtete, wie der
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