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Das verborgene Kind

Das verborgene Kind

Titel: Das verborgene Kind
Autoren: Marcia Willett
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war sicherlich sorgfältig geplant«, meinte er gerade. »Tadji wird Hilfe gehabt haben. Sie hat euch wahrscheinlich in eurem großen Zwillingskinderwagen ausgeführt, an einen Ort, von dem sie wusste, dass dir nichts geschehen würde. Da hat sie David aus dem Wagen genommen, ist mit ihm durch eine Gasse geeilt und wahrscheinlich in ein wartendes Auto gestiegen. Und dann ist sie über die Grenze in die Sowjetunion geflüchtet. Dass sie David ›Wladimir‹ genannt haben, ist der Schlüssel, oder? Ich frage mich, wo das passiert ist. Auf dem Basar? Irgendwo jedenfalls, wo es kein Risiko bedeutete, Matt zurückzulassen, sie aber genug Zeit hatte, um sich zu entfernen, bevor jemand Alarm schlug.«
    Matt nickte. Das klang vollkommen logisch. Er sah Lottie an, dass sie befürchtete, Milos nüchterne Herangehensweise könne ihm Schmerz bereiten, deshalb lächelte er sie beruhigend an.
    »Eigentlich habe ich es nie vergessen«, sagte er. »Die Hitze, die exotischen Gerüche und das Stimmengewirr in einer fremden Sprache. Gut möglich, dass es ein Markt war. Ich habe diese Vision, hochgehoben und verschleppt zu werden, und zugleich sehe ich mir von außen dabei zu, wie ich fortgetragen werde. Und dann dieses Gefühl eines entsetzlichen Verlusts. Es ist so ein eigentümliches Gefühl, und es erstaunt mich, dass ich die Wahrheit nicht erraten oder mich deutlicher an David erinnert habe. Wahrscheinlich lag es daran, dass nie wieder jemand von ihm gesprochen oder seinen Namen erwähnt hat. Mit achtzehn Monaten kann man so ein Erlebnis nicht in Worte fassen, oder? Es ist nichts da, was der Erinnerung Nahrung geben könnte. Nur dieses furchtbare Gefühl eines traumatischen Verlusts. Ich frage mich, ob er auch darunter gelitten hat.«
    Lottie schob die Fotos herum und betrachtete sie.
    »Er sieht glücklich aus, oder?«, meinte sie. »Vielleicht hat er auch mit Dämonen zu kämpfen gehabt, aber äußerlich wirkt er wie ein ausgeglichener, zufriedener Bursche. Gott sei Dank hatte er Tadji, die eine Art Kontinuität für ihn gewährleistet hat.«
    »Ich denke ständig darüber nach, wie ich ihn finden soll«, sagte Matt. »Einerseits ist es wunderbar, dass er irgendwo da draußen ist, andererseits aber auch furchtbar.«
    »Wie soll das gehen, ohne sein ganzes Leben auf den Kopf zu stellen?«, warf Milo scharf ein. »Er hat eindeutig keine Ahnung von seiner Vergangenheit. Du müsstest ihm sagen, dass die Frau, die er für seine Mutter hält, an seiner Entführung beteiligt war. Sein Vater weiß auch nichts davon. Er glaubt, David sei das Kind ihrer Nichte. Das könnte die gesamte Familie zerstören.«
    Matt saß da und starrte ihn an. »Das habe ich nicht bedacht«, murmelte er schließlich. »Du meinst, dass wir uns nie begegnen dürfen? Ich kann mich niemals auf die Suche nach ihm machen?«
    Er bemerkte, dass Lottie einen warnenden Blick in Milos Richtung warf, worauf der auf dem Stuhl nach hinten rückte und die Arme verschränkte. Schweigen trat ein.
    »Vielleicht findet David ja eines Tages dich«, erklärte Lottie schließlich. »Es überrascht mich, dass du daran nicht gedacht hast.«
    Verwirrt starrte er sie an, und sie stand auf und verließ rasch das Zimmer. Als sie zurückkehrte, brachte sie zwei Exemplare von Epiphanie mit, ein gebundenes und eine Taschenbuchausgabe. Sie zeigte ihm das Foto auf dem Schutzumschlag der gebundenen Ausgabe und das Autorenfoto auf der ersten Seite des Taschenbuchs.
    »Du bist der Autor eines internationalen Bestsellers, Matt. Meinst du nicht, dass David dies hier eines Tages sehen könnte und dann vielleicht seine Erinnerung einsetzt und er die Verbindung zieht?«
    Hoffnung stieg in seinem Herzen auf, doch er drängte sie mit Gewalt zurück. »Aber das könnte doch zu gewaltigen Problemen führen, wie Milo sagte, oder?«
    Milo schwieg, aber Lottie schüttelte den Kopf. Sie wirkte gelassen, sogar fröhlich.
    »Ich glaube, eines Tages wird sich alles finden, und zwar im richtigen Moment. Matt, ich habe so eine Ahnung, dass ihr, David und du, euch eines Tages unter den richtigen Umständen wiedersehen werdet.«
    Er wünschte sich so verzweifelt, er könne ihr glauben, dass er es kaum ertragen konnte, darüber nachzudenken. Doch Milos Warnung war realistisch.
    »Deine Eltern sind beide tot«, sagte Lottie. »Wer weiß, ob Davids Stiefvater noch am Leben ist? Seine Stiefmutter lebt eindeutig, da du das Foto erst vor wenigen Wochen erhalten hast. Aber irgendwann wird David in der Lage sein, dich zu
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