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Das verborgene Kind

Das verborgene Kind

Titel: Das verborgene Kind
Autoren: Marcia Willett
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Zeit, seit dem Umzug ins Exmoor und dem neuen Job, hatten ihr Mut und ihre Wärme ihm geholfen, Momente zu überwinden, in denen er sich mutlos und ängstlich gefühlt hatte. Jetzt war es an ihm, sie zu unterstützen.
    »Mir gefällt die Idee mit dem Baby«, sagte er. »Ich glaube ganz fest, dass es ein Junge wird. Wir sollten ihn Jack nennen.«
    Neugierig hob sie den Kopf. »Warum Jack?«
    »Jack, der Riesentöter aus dem Märchen Jack and the Beanstalk , der über eine Bohnenranke in den Himmel geklettert ist«, antwortete er fröhlich. »Er wird über Furcht und Dunkelheit triumphieren. Unsere Wette auf die Zukunft.«
    »Ach, Jules!« Sie legte den Kopf wieder an seine Schulter und drückte ihn. »Ich liebe dich wirklich.«
    »Dann müssen wir aber mehr tun, als nur zu kuscheln«, neckte er. »Schließlich wollen wir ein Baby. Herrje! Jetzt geht das wieder los.«
    Sie lachte und schlug mit einem Kissen nach ihm. »Du wirst deine Pflicht tun wie ein Mann«, sagte sie. »Und du wirst es genießen. Das steht nicht zur Diskussion.« Und sie küsste ihn.
    Die Azaleen und Rhododendren standen in voller Blüte. Das kleine Rasenstück war von einem Blütenmeer in Weiß, Lila und Tiefrot gesäumt. Am Bachufer standen gelb-blaue Schwertlilien in ihrem Grün stramm wie Soldaten und spiegelten sich gebrochen in dem rasch fließenden Wasser. Eine Amsel stieß im Sturzflug herab, den Schnabel voller Futter für ihre Jungen, die im Schutz der Hecke auf sie warteten. Sonnenschein fiel durch die zarten grünen Blätter der Buchen und warf Muster auf das Gras, die in ständiger Veränderung begriffen waren. Der kleine Kater stürzte sich darauf und schaute verwundert drein, als seine Pfoten ins Leere tappten.
    Von der Veranda aus beobachtete Matt ihn amüsiert.
    »Ich werde ihn Pickles nennen«, hatte er Milo und Lottie erklärt. »Er erinnert mich an die vielen Bücher von Beatrix Potter, die Milo mir früher vorgelesen hat, all diese Katzen und Katzenkinder. Ich weiß ...« Milo wollte protestieren, und Matt hob abwehrend die Hände. »Ich weiß, dass Pickles ein Terrier war und die Katze Ginger hieß. Aber der Name passt zu ihm.«
    Er fragte sich, wie die Katze auf dem Aquarell wohl geheißen hatte, und wünschte sich, Helenas Maltalent zu besitzen. Helen und Helena: In seinen Gedanken schienen die beiden zu einer Person zu verschmelzen, und er hatte das Gefühl, als wären sie im Haus und im Garten bei ihm. Eine freundliche, sanfte Präsenz, die ihn einhüllte und heilte. Ganz still saß er da und lauschte den Lauten des Sommers: dem Rascheln der Blätter in der Brise, dem Plätschern des Bachs und dem Trällern und Zwitschern der Vögel. Auf dem Tisch neben ihm lagen sein Laptop und ein Notizbuch. Als er früh an diesem Tag im silbrigen Licht der Morgendämmerung erwacht war und dem Lied der Amsel gelauscht hatte, war er sich sicher gewesen, dass er bereit war, von Neuem das Paralleluniversum der Phantasie zu betreten. Voller Erleichterung und Freude war er barfuß nach unten gestürmt, in den kühlen, taugetränkten Garten, um am Bach entlangzuschlendern und seinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Er hatte zum Fenster des Treppenabsatzes hinaufgesehen und den kleinen Cherub begrüßt. Dann war er wieder hineingegangen, um Kaffee zu kochen. Er hatte den Stuhl auf die Veranda gezogen und seine Arbeitsutensilien auf den Tisch gelegt. Und jetzt wartete er zuversichtlich ab.
    Visionen und Ideen wirbelten durch seinen Kopf, und er sah die ersten Umrisse einer Geschichte über zwei Jungen, Zwillinge, die ganz früh im Leben getrennt werden und auf verschiedenen Kontinenten aufwachsen, aber dennoch auf geheimnisvolle Weise miteinander verbunden bleiben. Es würde nicht wirklich seine Geschichte sein und noch nicht die von David, sondern die Essenz aus beiden. Elan und Aufregung erfüllten Matt. Jetzt wusste er endlich, was er schreiben und wo er beginnen würde: Er würde mit den Fotos anfangen.

 
    Marcia Willett , in Somerset geboren, studierte und unterrichtete klassischen Tanz, bevor sie ihr Talent für das Schreiben entdeckte. Ihre Bücher erscheinen in 18 Ländern. Sie lebt mit ihrem Ehemann in Devon, dem Schauplatz vieler ihrer Romane.
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