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Das verborgene Kind

Das verborgene Kind

Titel: Das verborgene Kind
Autoren: Marcia Willett
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gerichtet, hin- und herdrehte und mit den Fingern streichelte. Er beobachtete sie, und etwas regte sich in seiner Erinnerung. Doch dann rief Rosie ihnen etwas zu, und Annabel winkte.
    »Ich finde immer noch, dass sie nicht die Richtige für dich ist«, meinte Im leise.
    »Ich auch«, pflichtete er ihr bei. »Traurig, nicht wahr?«
    »Dann sag es ihr«, versetzte sie scharf. »Zieh die Sache nicht in die Länge!«
    »Das habe ich auch nicht vor«, gab er ärgerlich zurück. »Ich habe mich heute Morgen entschieden und warte nur auf den richtigen Moment, das ist alles. Sie fährt morgen früh nach London zurück.«
    »Na ja, solange du nicht per SMS oder E-Mail Schluss machst ...«, meinte sie, stellte die Puppe auf den Tisch und lief in den Garten hinaus.
    Matt zögerte, griff nach dem Spielzeug, schraubte es auf und sah die kleinere Puppe im Inneren – und zwei Eindrücke prallten aufeinander. Einer war ein inneres Bild von der bemalten Holzkatze aus der Rosenholzschatulle seiner Mutter, aber der zweite versetzte ihm einen tiefer gehenden Schock. Wenn seine Mutter die Fotos aufgenommen hatte, um eine Phantasievorstellung auszuagieren, wer hatte dann dieses letzte Bild gemacht und abgeschickt? Er hatte nicht mehr daran gedacht. Wer hatte es nur aufgenommen, und warum hatte dieser Jemand es ohne eine Nachricht oder Erklärung an die Agentur geschickt? Hatte er sich bei den Fotos geirrt?
    Die anderen im Garten riefen nach ihm. Er rang die Erschütterung nieder und ging zu ihnen.

36. Kapitel
    D ie Fahrt nach Taunton war schwierig verlaufen. Glücklicherweise hatte Annabel den ersten Zug nach London erwischen müssen, damit sie gegen Mittag im Büro sein konnte, sodass sie früh aufbrechen mussten. Auf dem Weg zum Bahnhof hatte Matt ihr erklärt, dass er sie nicht wiedersehen werde, jedenfalls nicht so. Er wolle nicht, dass sie sich falsche Vorstellungen mache. Sie hatte schweigend dagesessen, sich auf die Lippen gebissen, die Hände gerungen und nach vorn gestarrt. Er hatte ihr erklärt, es sei nicht fair, sie in dem Glauben zu lassen, dass zwischen ihnen mehr sei als Freundschaft. Da war sie ihm ins Wort gefallen und hatte gesagt, sie wolle im Moment auch nicht mehr. Aber sicher könnten sie sich doch weiter treffen; sie hätten doch Spaß miteinander, oder?
    Verzweifelt hatte er zugestimmt, dass sie Spaß gehabt hätten. Natürlich, aber es sei das Beste, sie nicht in die Irre zu führen. Er sei mit vielen Frauen befreundet und noch nicht bereit zu einer festen Beziehung. Außerdem müsse er ein Buch schreiben. Obwohl er sich selbst kaum hören mochte, sagte ihm jeder Funke Selbsterhaltungstrieb, den er besaß, dass er hier keinen Millimeter nachgeben durfte und es grausam wäre, ihr Hoffnungen zu machen.
    In eisigem Schweigen war sie aus dem Wagen gestiegen und hatte ihre Tasche genommen. »Warte bitte nicht!«, hatte sie kalt gesagt. Daher hatte er sich nur davon überzeugt, dass für ihren Zug keine Verspätung angezeigt war, und war nach Hause gefahren.
    Unendlich erleichtert schloss er die Tür des Sommerhauses auf. Der Kater lief ihm entgegen und strich ihm schnurrend um die Knöchel. Matt kochte sich Kaffee und nahm ihn mit auf die Veranda. Im Garten stand die Hitze, und aus einiger Entfernung hörte er den Kuckuck rufen. Still saß er da und ließ sich von diesem Frieden erfüllen; die freundliche Präsenz war ganz in der Nähe, beruhigte ihn, bereitete ihn auf das Kommende vor. Bilder gingen ihm durch den Kopf: das Kätzchen, wie es, vom Sonnenlicht getigert, unter dem Flieder gesessen hatte; Imogen mit der russischen Puppe in den Händen; das letzte Foto.
    Matt schlug die Augen auf. Ganz still saß er da und rätselte über diese Bilder. Dann stand er auf und ging hinein. Die Rosenholzschatulle, die er von seiner letzten Fahrt nach London mitgebracht hatte, stand in einem Regal im Wohnzimmer. Er trug sie auf die Veranda hinaus. Als er den Deckel hochklappte, fühlte er sich augenblicklich in die Zeit zurückversetzt, in der er mit seinen Schätzen zu seiner Mutter gelaufen war. »Sollen wir es in das Kästchen legen, Mummy?« Dann hatten sie feierlich den Schlüssel geholt, der nun in dem kleinen Schloss steckte.
    Der Umschlag mit dem Brief von seinem Vater war noch da und auch das Wildledertäschchen mit dem seidenen Taschentuch seiner Großmutter. Die Schätze, die er in die Schatulle hatte legen dürfen, waren längst verwelkt und fort, aber die bemalte Holzkatze war noch da. Er nahm die getigerte Figur
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