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Das Urteil

Titel: Das Urteil
Autoren: John Grisham
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Schon gar keine ledigen. Sie neigten dazu, knauserig zu sein und ohne Mitgefühl.
    Er hatte sich die Namen und Gesichter eingeprägt, und jetzt reichte es ihm. Er hatte diese Leute studiert, bis sie ihm zuwider waren. Er verließ das Zimmer, rieb sich auf dem Korridor die Augen und ging die Treppe seiner opulent eingerichteten Kanzlei hinunter in den Konferenzraum, in dem das für die Dokumente zuständige Komitee unter Leitung von André Durond aus New Orleans damit beschäftigt war, Ordnung in Tausende von Papieren zu bringen. In diesem Augenblick, um fast zehn Uhr am Freitagabend, waren in der Kanzlei von Wendall H. Rohr mehr als vierzig Leute intensiv bei der Arbeit.
    Er sprach mit Durond, während sie für ein paar Minuten die Anwaltsgehilfen beobachteten. Er verließ das Zimmer und strebte, jetzt schnelleren Schrittes, dem nächsten zu. Das Adrenalin pumpte.
    Die Tabakanwälte ein Stück die Straße hinunter arbeiteten ebenso intensiv.
    Es gab nichts Aufregenderes als einen großen Prozeß.
3
    D er Hauptsaal des Gerichtsgebäudes von Biloxi lag im ersten Stock. Über die geflieste Treppe gelangte man in die vom Sonnenlicht überflutete Vorhalle. Die Wände waren gerade weiß übergestrichen worden, und der Fußboden funkelte von frischem Bohnerwachs.
    Um acht Uhr am Montagmorgen versammelte sich bereits eine große Menschenmenge in der Vorhalle außerhalb der hohen, in den Gerichtssaal führenden Holztür. Eine kleine Gruppe drängte sich in einer Ecke zusammen; sie bestand aus jungen Männern in dunklen Anzügen, die einander auffallend ähnlich sahen. Sie machten einen gepflegten Eindruck, hatten geöltes, kurzes Haar, und die meisten von ihnen trugen entweder eine Hornbrille oder ließen unter ihren maßgeschneiderten Jacketts Hosenträger sehen. Sie waren Finanzanalytiker von der Wall Street, Spezialisten für Tabakaktien, in den Süden geschickt, um die Anfangsstadien der Sache Wood gegen Pynex zu verfolgen.
    Eine weitere Gruppe, größer und von Minute zu Minute wachsend, scharte sich locker im Zentrum der Vorhalle zusammen. Jede dieser Personen hielt verlegen ein Stück Papier in der Hand, eine Geschworenen-Vorladung. Nur wenige kannten einander, aber die Papiere wiesen sie aus, sie kamen miteinander ins Gespräch, und bald herrschte vor dem Gerichtssaal leises, nervöses Geplauder. Die Männer in den dunklen Anzügen aus der ersten Gruppe verstummten und beobachteten die potentiellen Geschworenen.
    Die dritte Gruppe trug finstere Mienen und Uniformen und bewachte die Tür. Nicht weniger als sieben Deputies waren abgestellt worden, um am Eröffnungstag für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Zwei hantierten vor der Tür mit dem Metalldetektor. Zwei weitere beschäftigten sich hinter einem improvisierten Pult mit Papieren. Sie rechne ten mit einem vollen Haus. Die anderen drei tranken Kaffee aus Pappbechern und beobachteten das Anwachsen der Menge.
    Genau um halb neun öffneten die Wachtposten die Tür, überprüften die Vorladung jedes einzelnen Geschworenen, ließen einen nach dem anderen durch die Detektorschleuse ein und teilten den Zuschauern mit, daß sie noch eine Weile warten müßten. Dasselbe galt für die Analytiker und für die Reporter.
    Auf einem Ring aus Klappstühlen in den Gängen rund um die gepolsterten Bänke herum fanden ungefähr dreihundert Personen Platz im Gerichtssaal. Jenseits der Schranken würden sich bald an die dreißig weitere um die Tische der Anwälte drängen. Die Vorsteherin der Gerichtskanzlei, allgemein beliebt und von der Bevölkerung gewählt, überprüfte jede einzelne Vorladung, lächelte und umarmte sogar einige der Geschworenen, die sie kannte, und dirigierte sie mit sehr viel Erfahrung zu ihren Plätzen. Sie hieß Gloria Lane und war seit elf Jahren Kanzleivorsteherin des Bezirksgerichts von Harrison County. Sie dachte nicht daran, sich diese Gelegenheit entgehen zu lassen, zu zeigen und zu dirigieren, Namen mit Gesichtern zu verbinden, Hände zu schütteln, um Wahlerstimmen zu werben, einen kurzen Moment im Rampenlicht ihres bislang bedeutendsten Prozesses zu genießen. Drei jüngere Frauen aus ihrem Büro assistierten ihr, und um neun waren alle Geschworenen ihren Nummern entsprechend untergebracht und damit beschäftigt, eine weitere Runde von Fragebögen auszufüllen.
    Nur zwei fehlten. Von Ernest Duly hieß es, er wäre nach Rorida verzogen, wo er vermutlich gestorben war; und es gab keinerlei Hinweise auf den Aufenthaltsort von Mrs. Tella Gail Ridehouser, die
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