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Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Titel: Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)
Autoren: Madeleine Puljic
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fein säuberlich sortiert Kisten mit Vorräten stapelten. Darin befanden sich Konserven und Flaschen, hauptsächlich jedoch Packungen mit Trockennahrung, aus denen sie anhand ihrer Listen die Bestandteile für das heutige Mittagessen zusammengesucht hatten.
    Zumindest, bis Atlan das kleine, in schwarzes Plastik gebundene Buch in die Hände gefallen war, das er gerade fasziniert mit Augen und Fingern erforschte hatte.
    Jetzt ließ er seinen Fund erschrocken in der Tasche seiner Robe verschwinden und beeilte sich, seine Kiste wieder aufzuheben.
    Gerade noch rechtzeitig, denn schon hatte Lorio den Gang erreicht und musterte ihn verärgert.
    „Was stehst du denn da herum? Komm endlich!“
    Atlan nickte nur ergeben und beeilte sich, seinem Bruder zu den Aufzügen zu folgen.
    Lorio war nur ein Jahr vor Atlan in der Abtei aufgenommen worden. Mit seinen mittlerweile elf Jahren war er vier Jahre älter als Altlan und zählte damit immer noch zu den jüngeren Novizen, doch Atlan war ihm bedingungslos ergeben.
    Was zum einen daher rührte, dass Lorio ihm bei seiner Aufnahme als älterer Bruder zugeteilt worden war, der ihm das Leben im Kloster nahebringen sollte und für sein Verhalten verantwortlich gemacht wurde.
    Zum anderen hatte Atlan seine Familie zu früh verloren, um von ihr ein Gefühl der Geborgenheit mitbekommen zu haben. Auf seine Art war Lorio für ihn das, was einem Freund am nächsten kam, daher nahm er die gelegentlichen Demütigungen des Älteren geduldig hin.
    Der Staub, den sie bei ihrer Suche zwischen den zahllosen Kisten aufgewirbelt hatten, hing in der Luft. Unter den Leuchtröhren konnten sie einzelne Partikel tanzen sehen. Weit aufdringlicher war allerdings das Kitzeln, das sie in der Nase verursachten.
    Da seine Hände die Kiste umklammert hielten, versuchte Atlan verstohlen, sein Gesicht am Ärmel zu reiben, um sich Linderung zu verschaffen. Dann bemerkte er den mahnenden Blick, den Lorio ihm zuwarf, und ließ seufzend den Arm wieder sinken.
    Trotzig wackelte er mit der Nase, bis der Aufzug eintraf und seine Türen öffnete.
     
    Am späten Abend schleppte Atlan sich endlich in das Zimmer, das er mit drei Mitbrüdern teilte. Das kleine Buch hatte er bereits völlig vergessen. Der Tag war anstrengend gewesen, wie die meisten Tage im Kloster, und er wollte nur noch schlafen. Ohne sich die Mühe zu machen, sich aus der Novizenrobe zu wickeln und in ein Schlafgewand zu schlüpfen, warf er sich auf sein Bett.
    Aus dem erleichterten Seufzer, den er angesichts seiner müden Beine hatte ausstoßen wollen, wurde jedoch ein Stöhnen, als sich die harte Kante des Buches unsanft in seine Seite bohrte. Überrascht tastete er in seine Tasche und zog den fremden Gegenstand hervor.
    Sobald er ihn erkannte, warf er ihn erschrocken von sich. Seine Fingerspitzen kribbelten, als hätte er sich an dem unscheinbaren Plastik verbrannt.
    Was hatte er getan? Er konnte sich nicht erinnern, das Buch eingesteckt zu haben. Und doch war es unleugbar hier.
    Oh, das bedeutete Ärger.
    Bücher waren wertvoll. Etwas, das er nur aus Erzählungen kannte. Seit Jahrzehnten waren sie nicht mehr in Gebrauch, und wer auch immer dieses Exemplar auf dem Speicher versteckt hatte, würde sein Verschwinden sicher bald bemerken.
    Aber er war doch kein Dieb, es war nur ein Missverständnis! Er würde es einfach bei der nächsten Gelegenheit zurückbringen. Niemand würde jemals davon erfahren.
    Am besten gleich morgen. Je schneller er das Buch wieder loswurde, umso besser.
    Ein Grund mehr, sämtliche Eindrücke davon gierig in sich aufzusaugen, solange es nun einmal hier war.
    Vorsichtig nahm er das Buch wieder in die Hand und schlug es auf. Die Erregung ließ seine Finger zittern, als sie über die gedruckten Symbole und Zeichnungen glitten, die die Seiten in engen Reihen füllten.
    Schließlich fanden seine rastlosen Augen eine Darstellung, die ihm vage bekannt vorkam. Eine junge Frau mit schmerzverzerrtem Gesicht, die den leblosen Körper eines bärtigen Mannes in ihrem Schoß hielt, sein Körper geschunden und nackt bis auf ein Lendentuch und einen Dornenkranz im Haar.
    Nachdenklich zeichnete Atlan die Züge der Frau nach. Trotz der offensichtlichen Qual, die sie litt, strahlte sie eine tröstliche Ruhe aus.
    Eine vergessene Erinnerung rührte sich in ihm.
    Mütterliche Wärme, Arme, die ihn schützend umfassten.
    Es war ein derart intensives, lange vermisstes Gefühl, dass ihm Tränen in die Augen zu steigen drohten.
    Als vor der Tür das
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