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Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Titel: Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)
Autoren: Madeleine Puljic
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gespannten Blicke seines Publikums genoss, ehe er zum Höhepunkt seiner Geschichte kam.
    „Der Händler dort … Das war ein Klon!“
    Aufgeregte Stimmen murmelten durcheinander. Niemand wollte den Helden des Tages in Frage stellen, aber glauben konnten sie so etwas noch viel weniger. Schließlich sprach Lorio den Gedanken aus, der allen auf der Zunge lag.
    „Das hast du doch erfunden! Woher willst du denn bitte wissen, dass das ein Klon war? Er wird ja wohl kaum einen Zettel um den Hals getragen haben.“
    Eigentlich wollte Kirret beleidigt eine Grimasse ziehen. Doch das Erlebte saß ihm noch zu tief in den Knochen, also suchte er nach dem besten Weg, ihnen das unheimliche Gefühl zu beschreiben, das ihn beim Anblick des Klons beschlichen hatte.
    „Kein Mensch kann so kalt sein“, erklärte er. „Da war nichts, nicht das kleinste Gefühl in seinem Gesicht. Er war höflich, aber völlig unbeteiligt. Es war, als hätte er kein Leben in sich gehabt.“
    Ohne hinzusehen, griff Kirret nach der Suppenschüssel seines Sitznachbarn und begann, nachdenklich in der Brühe herumzurühren.
    „Wenn ich so überlege … Ich denke, es war besser, dass er so kalt war. Hätte er gelächelt … Ich glaube, dann wäre ich schreiend davongelaufen.“
    Die Novizen, die sich täglich der Willkür von Meister Seru und einiger anderer Ausbildner ausgeliefert sahen, waren eigentlich nicht mehr durch bloße Begegnungen zu schockieren.
    Jeder für sich und doch gemeinsam kamen sie daher zu dem Schluss, dass der Klon eindeutig ein furchterregender Zeitgenosse gewesen sein musste, wenn er einen solchen Eindruck bei Kirret hatte hinterlassen können.
     
    Grübelnd bewegte Niove die Finger durch die Luft. Mit ihren Gesten ließ sie einen Urwald auf dem Monitor der Fensterscheibe entstehen, zwischen dessen Bäumen sich bunte Fische tummelten. Die Datenträger, die ihr Vater ihr als Lehrmaterial gebracht hatte, lagen unbeachtet auf dem Tisch. Mari hatte ihr Hinterteil darauf platziert und begleitete Nioves leises Summen mit einem enthusiastischen Schnurrmarathon.
    Es bestand kein Zweifel, wer von den beiden länger durchhalten würde.
    Gestern hatte Niove ihren neuesten Privatlehrer vergrault. Was nicht daran lag, dass sie uninteressiert gewesen wäre, auch an angemessener Erziehung mangelte es ihr nicht. Sie sah nur wenig Sinn in den Dingen, die man versuchte ihr beizubringen. Und die Fragen, die sie stattdessen stellte, konnten ihr selten beantwortet werden.
    Zugegeben, sie war auch der Meinung, dass ihr Respekt sich Menschen gegenüber in Grenzen halten durfte, die sie selbst als geistig unterlegen betrachtete und die dennoch glaubten, sie bevormunden zu können. Eine Auffassung, die sich nur zum Teil durch die Arroganz der Pubertät entschuldigen ließ.
    Sie wusste, dass ihre Optimierung auf Intellekt ausgelegt war, was das Leben für sie allerdings nicht gerade vereinfachte. Sie war das Beste aus den Genen ihres Vaters – gemischt mit einer Anzahl ausgewählter fremder Gene, die als passende Ergänzung angesehen worden waren. Dabei war wohl ihr Äußeres etwas zu sehr in den Hintergrund geraten. Sie war natürlich hübsch – jeder optimierte Mensch war das. Aber wenn sie an die Klone dachte, die auf Vaters Gästelisten standen, wusste sie, dass sie auf diesem Gebiet niemals mit ihnen konkurrieren konnte.
    Geistesabwesend strich sie über Maris weichen Kopf, was die Intensität des Schnurrens noch um einige Dezibel steigerte.
    Niove beneidete ihre Brüder. Auch sie waren selbstverständlich optimiert, ihr Vater war schon früh ein Sponsor der Gentechnik gewesen. Doch im Gegensatz zu ihr waren sie nicht künstlich erschaffen worden. Sie waren ein manipulierter Genmix aus ihrem Vater und seiner verstorbenen Frau, waren mit einer Mutter aufgewachsen. Oft fragte Niove sich insgeheim, wie das sein mochte – eine Mutter zu haben. Eine Natürliche, die noch uneingeschränkt fühlen konnte. So wie Niove es tat.
    Manchmal wurde sie zwar geradezu erdrückt von all der Aufmerksamkeit, die ihr Vater, Erran und Zarail ihr entgegenbrachten, doch sie wusste nicht, wie viel davon wirklich noch auf Liebe beruhte und wie viel nur auf familiärer Verpflichtung. Sie wurde verwöhnt und verhätschelt, aber es war eben nicht das Gleiche.
    Ihre Brüder waren Vorläufer der neuen Generation – die Gefühlswelt, die Niove oft zu beherrschen drohte, war ihnen zum großen Teil fremd. Vor allem Zarail tat ihr leid, außer Ehrgeiz schien ihm nicht viel an
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