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Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Titel: Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)
Autoren: Madeleine Puljic
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ging in die Knie, um sein Gesicht auf gleiche Höhe mit ihrem zu bringen, die Schachtel sicher unter den Arm geklemmt.
    „Nicht schütteln, hörst du?“
    Als sie eifrig nickte, reichte er Niove behutsam das Geschenk, das sie mit begeisterter Miene entgegennahm. Wenn man so vorsichtig sein musste, war es sicher etwas ganz Besonderes.
    Erran deutete auf die Schleife und erklärte: „Hier, siehst du? Du musst das Band aufmachen. Einfach hier ziehen.“
    Folgsam zog sie an dem besagten Stück Stoff und beobachtete, wie die aufwendig gebundene Schleife in sich zusammensank und sich löste. Neugierig hob sie den Deckel ab und begutachtete den Inhalt.
    Ein kleines, flauschiges Knäuel lag in einer Ecke der Kiste. Niove schnaubte enttäuscht.
    Wegen eines Stofftiers hätten sie nun wirklich nicht so einen Aufstand veranstalten müssen. Sie wollte sich gerade abwenden, als zwei spitze Dreiecke aus der weißen Fellkugel auftauchten. Ihnen folgten zwei blaue Augen und eine rosafarbene Nase.
    Verzückt starrte das Mädchen auf das Ding in der Schachtel und streckte die Hand aus, um es auf Kinderart zu erforschen. Das weiße Etwas ließ ein leises Maunzen vernehmen, als Nioves Finger in seine Seite stupste. Nach einem Roboter sah das nicht aus, und es fühlte sich auch anders an. Warm und weich.
    Mit einem Stirnrunzeln sah sie von Vater zu Bruder und wieder auf das kleine Unbekannte. Ihr Vater ließ sich ächzend neben ihr auf dem Boden nieder.
    „Das ist ein Kätzchen“, erklärte er, als wäre das allein Erklärung genug. Er nahm ihre Hand und strich damit leicht über den kleinen Körper, der sich jetzt flink und agil in seinem Behältnis umherbewegte. Die feinen Haare kitzelten an ihrer Handfläche, und Niove kicherte vergnügt. Das kleine Ding kam zum Stillstand, schloss die Augen und gab ein rollendes Geräusch von sich.
    „Siehst du? Das gefällt ihr, sie schnurrt“, ermutigte Erran sie. Das gleichmäßige Vibrieren, das in der winzigen Brust entstand, konnte Niove in ihren Fingern spüren. Sie grinste ihrem Bruder zu. Das Wegnehmen der Schachtel war verziehen.
    „Willst du ihr nicht einen Namen geben?“, fragte ihr Vater. „Es ist ein Mädchen.“
    Niove dachte angestrengt nach. Namen finden war eine schwierige Angelegenheit. Wie dumm, dass sie nicht aussuchen durfte, was das Kätzchen sein sollte. Aber ihr Vater bestand darauf, dass es kein Junge sein durfte.
    Schließlich kam ihr eine Idee. Sie bewegte den Namen einige Male im Kopf hin und her, bis sie von seinem Klang überzeugt war.
    „Mari!“, verkündete sie mit einem zufriedenen Nicken.
    „Mari?“ Ihr Vater zog die Augenbrauen zusammen, was üblicherweise hieß, dass er mit etwas unzufrieden war. Erran dagegen lachte nur.
    „Lass sie, es klingt doch nett. Zumindest wirst du niemanden treffen, der auf den gleichen Namen hört.“
    Mit einem Zwinkern setzte er das neugetaufte Lebewesen in Nioves Hände und erklärte ihr, wie sie es halten durfte.
    Als Zarail, der jüngere Bruder, abends nach Hause kam, wurde ihm Mari trotzdem mit dem Kopf nach unten präsentiert – was zum Erstaunen aller nichts an der Hingabe änderte, mit der das Kätzchen seiner neuen Besitzerin fortan auf Schritt und Tritt folgte.
     
    „Nein, doch nicht so!“ Ramins Stimme schwankte zwischen Belustigung und Ungeduld.
    „Schau her, das E besteht nur aus drei waagrechten Strichen, nicht so vielen, wie gerade eben Platz finden. Das N ist falsch herum, und was soll das überhaupt für ein Buchstabe sein?“
    Zerknirscht nahm Atlan den Zettel wieder entgegen, auf dem Ramin beinahe mehr Passagen durchgestrichen hatte, als überhaupt vorhanden gewesen waren.
    Seit ihrem Gespräch über den alten Glauben hatte der Priester begonnen, ihn heimlich zu unterrichten. Da seine täglichen Aufgaben nicht vernachlässigt werden durften, hatte Atlan sich anfangs sporadisch in den Nachtstunden aus dem Zimmer geschlichen, immer Gefahr laufend, von seinen Mitbrüdern entlarvt zu werden.
    Seit zwei Wochen musste Lorio sich allerdings durch zusätzliche Meditationen und Lehrstunden gemeinsam mit einigen Gleichaltrigen auf seine Adeptenprüfung vorbereiten. Die so erhaltene Freizeit konnte Atlan für ein intensiveres Studium des schwarzen Buches nutzen.
    All sein Eifer kam jedoch nicht gegen die Ungeduld seiner Jugend an.
    „Wozu soll ich lernen, etwas zu schreiben, das ohnehin keiner lesen kann?“, brummte er missmutig. Gleich darauf zog er den Kopf zwischen die Schultern, um dem halbherzigen
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