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Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Titel: Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)
Autoren: Madeleine Puljic
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vorbereiten können, einen alternativen Lüftungsschacht anlegen! Jetzt sollen wir alle hier verrecken, nur weil du den Mund nicht aufbekommen hast?“
    „Wer sagt“, spie Xenos zurück, „dass ich etwas hätte ändern können? Es gibt keinen alternativen Schacht, und du hättest auch keinen anlegen können. Wohin hättest du ihn denn gegraben?“
    Eine gefühlte Ewigkeit lang maßen die beiden einander mit ihren Blicken, dann seufzte Xenos schließlich resignierend.
    „Durch die alten Kanalisationsgänge werden wir noch mit Luft versorgt. Wie frisch sie ist und wie viel davon bis hierher durchkommt, kann ich dir nicht sagen. Wir müssen die Stromkreise umlegen, um die verbliebenen Ventilatoren wieder zu verbinden und die Belüftung zu gewährleisten. Das ist keine endgültige Lösung“, betonte er. „Aber fürs Erste sollte sie genügen.“
    Haron nickte missmutig und verschwand in den Tunneln, um entsprechende Anweisungen zu geben.
    Zurück blieb ein alter, einsamer Mann.
    Tare , betete er im Stillen, was habe ich meinen Kindern angetan? Ich wollte ihnen jemanden geben, der sie führt, wenn ich es nicht mehr kann. Hilf mir, damit ich sie nicht stattdessen zur Schlachtbank führe. Falls es nicht bereits zu spät ist.
     
     

Epilog
     
    Auf den Fensterscheiben tummelten sich Fische und Schmetterlinge in allen Farben und Formen. Dazwischen lugten Spatzen frech zwischen Farnen und Palmen hervor, sodass ein reges Treiben herrschte. Die Blätter bewegten sich wie von einer sanften Brise angeregt – ein beständiges Schaukeln, das trotz der fehlenden begleitenden Geräusche beruhigend wirkte.
    Orson G. Esser war versunken in diesen Anblick, nichts anderes drang zu ihm durch. Weder sein Sohn, der ihn immer wieder ansprach – manchmal besorgt, andere Male auch selbst zutiefst verzweifelt – noch die verwaiste Katze, die sich des Öfteren voller Bedürfnis nach Nähe auf seinen Schoß gekuschelt hatte. Auch die Tränen, die ihm einzeln über die eingefallenen Wangen rollten, vertrockneten unbemerkt und ließen nur eine einsame Salzkruste auf seiner Haut zurück.
    Ob seit dem Tod seiner Tochter Tage, Wochen oder Jahre vergangen waren, hätte er nicht sagen können. Manchmal kam jemand und flößte ihm Suppe ein oder verabreichte ihm Spritzen, die ihn schummrig werden ließen. Zwischendurch döste er ein.
    Aber wann immer er die Augen aufschlug, fand er vor sich dieselbe Szenerie. Fische, Schmetterlinge, Spatzen.
    Seine Gedanken drehten sich im Kreis. Manches Mal sah er Niove als kleines Mädchen, mit diesen Augen, die so viel älter waren, als sie es hätten sein sollen. Viel zu oft sah er sie, wie sie in den Tagen vor ihrem Verschwinden gewesen war: Verstockt, verängstigt, verschwiegen. Und doch war sie ihm in dieser Zeit glücklicher vorgekommen als all die Jahre davor. Wenn er auf sie zugegangen wäre, hätte sie ihn an ihrem Geheimnis teilhaben lassen?
    Hätte er sie beschützen können?
    Er registrierte ein unangenehmes Gefühl auf seiner Schulter. Unwillig wandte er schließlich seinen Blick dorthin. Die Hand, die er sah, klopfte auf eine Art dorthin, die deutlich machte, dass sie das schon seit mehreren Minuten machte. Er war versucht, das Gefühl zu ignorieren und wieder die Fenstertiere zu beobachten. Leider hatte ihn die Erfahrung gelehrt, dass seine Schulter lange vor der Hand müde wurde. Daher gab er ein unartikuliertes Brummen von sich.
    Mit bedächtiger Stimme informierte ihn sein Sekretär, dass ein Besucher unten in der Lobby auf Einlass wartete. Es schien lange her, seit die letzten geheuchelten Kondolenzwünsche angekommen waren. Statt eine Antwort zu geben, konzentrierte er sich auf einen besonders scheuen Spatz, der nur hin und wieder zwischen dem Grün des Urwalds und dem wilden Herumsausen der anderen Tiere sichtbar wurde.
    Doch das Klopfen an seiner Schulter ließ nicht nach. Als er endlich erneut brummte, fuhr der Sekretär peinlich berührt fort: „Ich wollte ihn eigentlich nicht einlassen. Aber er sagt, sein Name würde ihm schon Einlass gewähren.“ Da Esser keine Antwort gab, schloss er schließlich: „Er sagt, sein Name wäre Dr. Rexander Aisten.“
    Nun sah Esser doch auf. Sein Sekretär war hochrot im Gesicht, offensichtlich hatte er nicht alles von dem wiedergegeben, das der Besucher ihm gesagt hatte. Nach kurzem Überlegen nickte Esser seinem Angestellten zu.
    Der alte Mann, der schließlich aus dem Fahrstuhl trat, hatte nicht mehr die geringste Ähnlichkeit mit dem forschen,
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