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Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Titel: Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)
Autoren: Madeleine Puljic
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drang der Schreck nur langsam durch. Vor allem waren es dort finanzielle Verluste, die man durch die Raubzüge und den Vandalismus zu beklagen hatte. Manche hatten Verwandte im Center gehabt, einige hatten ihre bereits bezahlten Nachkommen durch den Einsturz verloren. Aber Angst zu empfinden war den meisten nicht mehr gegeben, davon abgesehen war das Geschehen für sie zu weit entfernt. In ihren Hochhäusern sitzend und die gesamte Stadt unter sich wissend, hatte sich über Jahrzehnte ein Gefühl der Immunität und Unangreifbarkeit bei ihnen eingestellt, das sich nicht durch ein paar Tote erschüttern ließ. Optimiert zu sein bedeutete fast immer, in einflussreiche und wohlhabende Familien geboren worden zu sein. Nur diese hatten sich die kostspielige Investition leisten können, als die ersten Genmanipulationen für Menschen auf den Markt gekommen waren. Optimierte und Klone in der zweiten Generation waren daher Vorzeigeobjekte der Reichen, die ihren Status als selbstverständlich ansahen und sich mit neuen Trends schmücken wollten. Bescheidenheit und Respekt vor den arbeitenden Massen waren Dinge, die sie nie als notwendig erachtet hatten, zu lernen.
    Wer in Geschichte bewandert war und wusste, wozu solche Aufstände führen konnten, sah sich nach einem möglicherweise benötigten Fluchtweg in eine der anderen Städte um. Tourismus war aus der Mode gekommen. Aber nur die selten gewordenen Flugzeuge legten die weiten Strecken in angemessener Zeit und mit dem nötigen Komfort zurück, weshalb der Preis für Privatjets selbst bei der geringen Käuferanzahl innerhalb kürzester Zeit in gigantische Höhen stieg. Zumindest, bis man bemerkte, dass sogar für diese wenigen Jets nicht genügend Piloten verfügbar waren. Klone waren für wichtigere Einsatzgebiete optimiert worden und den Arbeitern fehlte die Ausbildung für eine derart schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe.
    Doch die Vergangenheit war ohnehin vorbei, die Zukunft war es, die man verstehen wollte. Daher sahen nur wenige die Gefahr, die sich anzubahnen drohte, und es war hauptsächlich Ärger, den man über die leeren Fabriken empfand.
    Vor allem, als sich im Laufe der nächsten Tage und Nächte allmählich wieder mehr Arbeiter in den Hallen einfanden. Gezahlt wurde tageweise, niemand konnte sich freie Tage leisten. Und wenn Leute auf offener Straße verschwanden, Feuer in Häusern und Geschäften loderten und die Furcht in harter Tyrannei herrschte, stellte die Arbeit einen schwachen Anschein von Normalität in all dem Chaos dar.
    Denn die Übergriffe der Puristen waren nicht länger die einzigen, die das Blut in Noryak fließen ließen. Eine Handvoll Arbeiter hatte Vergeltung gesucht und ihrerseits einige Vorfälle verursacht. Zwei Mal war es bereits zu regelrechten Straßenschlachten zwischen Verhüllten und Arbeitern gekommen, als Letztere die Reinen beim Plündern eines Lebensmittelladens überrascht hatten.
    Bei all dem Chaos und der Anarchie war es nicht einmal aufgefallen, dass auch ein Optimierter eine Nacht lang Amok gelaufen war. Vielleicht hätte Erran es als ein Zeichen sehen sollen, dass er seinem Leben noch eine Wendung geben konnte – aber Schmerz, Hass und Schuld hatten ihn längst über die Grenze der für ihn erträglichen Emotionen gebracht. Es gab nichts, das sein Geist dem massiven Andrang dieser heftigen Gefühle nichts entgegensetzen hätte können.
     
    Für Sepion dagegen waren es reine Fakten, von denen er sich überfordert sah. Es gab weit wichtigere Dinge, mit denen sich die Regierung befassen musste, als einige weitere Tote undefinierbarer Herkunft.
    Beispielsweise den Wiederaufbau des Centers.
    Wie zu befürchten gewesen war, hatte das N4 seine Daten zu gut geschützt. Was ihm früher die besten Aufträge gesichert hatte, bedeutete jetzt ein gewaltiges Hindernis, was die Nachproduktion von Klonen betraf. Die übrigen Center waren nicht dafür ausgelegt, auch noch die Kapazität des N4 zu tragen, abgesehen von den fehlenden technischen Mitteln, deren Patente und Anwendungen das N4 eifersüchtig vor seiner Konkurrenz verborgen hatte.
    Diese vorübergehende Unfähigkeit, selbst in ausreichendem Maß Klone zu produzieren, war eine schier unlösbare Herausforderung. Da sie zwischenzeitlich auf die Hilfe anderer Städte angewiesen waren, bedeutete jeder Tag ohne einen Ersatz für das N4 Unmengen an Geld und Daten, die sie ihnen überlassen mussten.
    Eniel verlangte deshalb die sofortige Errichtung eines neuen Centers, möglichst
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