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Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)

Titel: Das Unglueck Mensch (Darwin's Failure)
Autoren: Madeleine Puljic
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mussten seine Befehle ausführen. Zufrieden ging Sepion hoch erhobenen Hauptes zur Tür. Im Vorbeigehen tippte er Ramin leicht auf die Schulter. Gehorsam erhob sich der Berater und folgte dem Präsidenten aus dem Sitzungssaal.
    „Du scheinst nicht verärgert zu sein, dass ich deinen Rat nicht beherzigt habe“, bemerkte Sepion.
    „Ich habe keinen Rat gegeben. Ich habe nur gesagt, dass ich dafür noch abwarten müsste, was geschieht. Was nicht heißt, dass du abwarten musst. Wenn du meine Meinung wissen willst – ich finde, du hast einen guten Weg gewählt.“
    „Du drehst dich auch, wie es dir passt. Die anderen scheinen diese Ansicht nicht gerade zu teilen.“
    „So scheint es“, bestätigte Ramin in aller Seelenruhe.
    Sepion hielt inne und sah seinen Berater aufmerksam ins Gesicht. „Warum?“, fragte er.
    „Ich kann mir viele Gründe dafür vorstellen. Sie werden nicht begeistert sein, mit Normalgeborenen zusammenarbeiten zu müssen und ihren Investoren statt Rückzahlungen neue Kredite anzubieten. Sie werden auch der Meinung sein, nicht genügend Mittel von dir zur Verfügung gestellt zu bekommen, oder denken, andere hätten mehr zugesprochen bekommen als sie selbst.“
    Der Präsident brummte missmutig und setzte seinen Weg fort.
    Oder , fügte Ramin unterdessen in Gedanken hinzu, sie sind verstimmt, weil du ihren Wünschen nicht Folge geleistet hast, und sie versuchen gerade zu entschlüsseln, wer von ihnen am meisten von dieser Lösung profitiert hat – und dadurch herauszufinden, wer dir diesen Weg vorgeschlagen hat .
     
    Am fünften Tag nach dem Anschlag hörte das Klopfsignal endlich auf. Atlan atmete erleichtert auf, nur um am siebten Tag, dem Wochentag, dem ihre Vereinbarung ursprünglich gegolten hatte, erneut unter dem Geräusch zusammenzuzucken.
    Er weigerte sich, die Gebetsstube zu verlassen, aus Angst, sie könnte ihn ein weiteres Mal auf der Straße abfangen. Istor deckte ihn gegenüber den anderen Priestern und erzählte ihnen, Atlan wäre von einem Puristen attackiert worden, der seitdem die Gegend um die Gebetsstätte unsicher machte. Keine Lüge, behauptete der Meister, nur das Weglassen einiger unangenehmer, aber privater Details.
    Die Vermutung, dass sie einfach eines Tages während der Armenspeisung auftauchen würde, behielt der alte Priester vorübergehend für sich. Der Junge war geplagt genug. Die Entscheidung, die er hatte treffen müssen, ging ihm sichtbar zu Herzen.
    Vielleicht hätte der Junge richtig gehandelt. Wer war Istor schließlich, über das Leben anderer derart zu entscheiden? Er hatte seine eigene Mutter früh verloren und sie auch in dieser kurzen Zeit fast ausschließlich sturzbetrunken gekannt. Trotzdem konnte er Atlans Dilemma gut nachfühlen, auch wenn er persönlich die Frau für eine Hochstaplerin hielt.
    Möglicherweise war es sogar die menschlichere Reaktion, der Reinen helfen zu wollen, und nur seine bitteren Erfahrungen hielten ihn davon ab.
    Doch zu allererst musste er an ihre gemeinsame Mission denken, und die beinhaltete nun einmal, die Puristen nicht zu unterstützen. Hier durfte Atlan keine Ausnahme darstellen, so gern Istor den Jungen auch hatte.
    Wenn es sein musste, würde er eben diese Frau eigenhändig davon abhalten müssen, ihn weiter unter Druck zu setzen. Wenn nicht mit Worten, dann eben auf eine andere Art und Weise. Wenn sie Atlan weiterhin mit Klopfgeräuschen an der Hintertür terrorisierte, würde er früher oder später zusammenbrechen und sie doch noch einlassen.
    Ihre regelmäßigen Besuche bei Atlans Gebetshaus waren andererseits auch Istors beste Chance, sie zu erwischen. Und das möglichst, bevor sie auf die Idee kam, von der Vereinbarung abzuweichen und sich öffentlich zu zeigen.
    Kein Grund, den Jungen zu beunruhigen.
     
     

15. Kapitel
     
    Xenos betrachtete das zerknitterte Stück Karton in seiner Hand und fragte sich, wie es so weit hatte kommen können. Das Bild war die einzige greifbare Erinnerung, die ihm von seiner Tochter geblieben war. Auf dem Foto lachte Tare. Es war das letzte Mal, dass er sie fröhlich gesehen hatte. Ein Zufall, dass gerade bei dieser Gelegenheit jemand ein Foto gemacht hatte.
    Er war nicht derjenige gewesen, der abgedrückt hatte. Im Hintergrund konnte er sein altes Selbst sehen. Ernst, nüchtern. Nicht begreifend, warum sein Kind sich an Banalitäten erfreute. Heute wünschte er sich, er wäre damals an ihrer Seite gewesen, hätte gemeinsam mit ihr über all die Kleinigkeiten gelacht, die sie
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