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Das Ultimatum - Thriller

Das Ultimatum - Thriller

Titel: Das Ultimatum - Thriller
Autoren: Simon Kernick
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Worte gefallen sind, spürst du eine bleierne Ruhe. Wenigstens gibt es jetzt keine Überraschungen mehr.
    Der Arzt, ein adrett gekleideter Asiate namens Mr. Farouk, der stets farbenfrohe Krawatten trägt, erklärt dir die Möglichkeiten einer lebensverlängernden Chemotherapie, doch du hörst ihm nicht wirklich zu. Du stellst nur eine Frage. Die offensichtliche. Die, die alle sofort stellen.
    »Wie lange noch?«
    Mit Chemotherapie eventuell zwei Jahre, wenngleich Mr. Farouk sofort darauf hinweist, dass es keine Garantien gibt. Es könne auch deutlich weniger sein. Ein Jahr durchaus. Aber selbst dafür garantiere er nicht.
    »Und ohne Chemo?«
    Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen. »Meiner Meinung nach maximal noch sechs Monate.«
    »Und es gibt keine Hoffnung?« Du musst es fragen, obwohl du weißt, dass Mr. Farouk einer von Großbritanniens führenden Krebsexperten ist und du eine stattliche Summe aufgebracht hast, weil seine Aussagen als verlässlich gelten. Es ist lediglich der Überlebensinstinkt, der sich in dir regt. Die Hoffnung auf das kleine Licht am Ende des Tunnels.
    »Nein«, erwidert er ruhig. »Ich fürchte nicht.«
    Und das wär’s dann. Das Todesurteil.
    Am Ende hatte sich Mr. Dalston gegen die Chemotherapie entschieden. Er konnte keinen Sinn darin erkennen, hauptsächlich deshalb, weil es am Ende nichts ändern würde. Für ihn hieß das nur, die Agonie zu verlängern. Als er es seiner Ex-Frau und seinem Sohn erzählte, der mit siebzehn alt genug war, sich über die Konsequenzen im Klaren zu sein, versuchten beide ihn umzustimmen.
    »Man kann nie wissen, vielleicht finden sie währenddessen einen Weg, dich zu heilen«, hatte Sue einigermaßen optimistisch argumentiert. Doch Martin hatte genug über Leberkrebs im fortgeschrittenen Stadium gelesen, um zu wissen, dass das so bald nicht passieren würde. Er sagte ihnen, er wolle seine letzten Tage genießen, obwohl die Worte hohl klangen. Sue war seit zwei Jahren wieder verheiratet, er würde sie also nicht in seine letzten Tage einbeziehen, und wenngleich sie sich mitfühlend gezeigt hatte, glaubte er nicht, dass sie lange um ihn trauern würde.
    Mit Robert war es anders. Bis er das Teenageralter erreichte, war ihr Verhältnis sehr eng gewesen. Doch als die Ehe in die Brüche ging, hatte Robert sich regelmäßig auf die Seite seiner Mutter geschlagen oder bestenfalls sie beide mit Verachtung gestraft. Manchmal hatte Martin das Gefühl gehabt, mit beiden im Krieg zu liegen, und darüber hinaus hatte er versuchen müssen, seine Firma am Laufen zu halten. Der Krebs hatte sie einander wieder nähergebracht. Sie waren für eine Woche zum Fischen am Ebro nach Spanien geflogen, wo sie bei gutem Essen, gutem Wein und guten Gesprächen als Männer zusammengefunden hatten. Der Urlaub war so erfolgreich verlaufen, dass Martin sogar Pläne für einen Australien-Trip geschmiedet hatte. Sie beide auf einer dreiwöchigen Tour durch das Outback, zum Barrier Reef und zur Great Ocean Road.
    Doch dann war die Krankheit über ihn hereingebrochen. Die heftigen, in Wellen auftretenden Bauchschmerzen, die chronische Müdigkeit, die Schwindelgefühle und schließlich der unaufhaltsame Gewichtsverlust. Martin wusste, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb. Wenn er die Behandlungsmöglichkeiten abwog, boten sich ihm nur zwei Alternativen: dem Krebs seinen Willen lassen und sein Tempo akzeptieren, während Robert hilflos an seiner Seite wachte, oder die Sache selbst zu Ende bringen.
    Martin war nie ein besonders mutiger Mann gewesen. Konfrontationen war er stets aus dem Weg gegangen, und wenn man es genau betrachtete, hatte er sich auch immer vor schwierigen Entscheidungen gedrückt. Doch vielleicht – so dachte er, als er an diesem Nachmittag die Lobby des Stanhope Hotels betrat – besaß er ja doch so etwas wie innere Stärke. Denn heute war der letzte Tag seines Lebens, und dafür fühlte er sich erstaunlich gelassen.
    Vor vier Tagen hatte er Zimmer 315 gebucht. Zunächst hatte die Rezeptionistin ihm gesagt, das Hotel könne kein bestimmtes Zimmer garantieren, doch dann hatte er erklärt, er brauche genau dieses Zimmer, weil er mit seiner Frau dort die Hochzeitsnacht verbracht hätte und nun den zwanzigsten Jahrestag ihrer Ehe feiern wollte.
    Traurigerweise stimmte nichts davon. Martin hatte nie eine Nacht mit Sue im Stanhope verbracht. Trotzdem weckte Zimmer 315 auch nach all den Jahren eindrückliche Erinnerungen, und ironischerweise war seine größte Sorge,
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