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Das Stonehenge - Ritual

Das Stonehenge - Ritual

Titel: Das Stonehenge - Ritual
Autoren: Sam Christer
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Spiele miteinander gespielt – erinnerst du dich?
    Ich habe mir Schatzverstecke ausgedacht, und du bist den Spuren gefolgt, die ich hinterließ. Auch im Tod hinterlasse ich dir Spuren und die Lösung eines Rätsels. Der größte Schatz von allen ist zu lieben und geliebt zu werden – ich hoffe inbrünstig, dass du ihn finden wirst.
    Es wäre besser, wenn du nicht versuchen würdest, andere Rätsel zu lösen, aber mir ist klar, dass das dennoch dein Wunsch sein könnte. Falls dem tatsächlich so ist, hast du auch dafür meinen Segen, doch ich rate dir, vorsichtig zu sein. Traue niemandem als dir selbst.
    Liebster Sohn, du bist ein Kind der Tagundnachtgleiche. Blicke weiter als nur bis zur Sonne des Solstitiums, und konzentriere dich auf das Aufgehen des neuen Mondes.
    Dinge, die du erst für schlecht hältst, werden sich als gut entpuppen. Dinge, die du für gut hältst, werden sich  als schlecht entpuppen. Im Leben geht es um Gleichgewicht und Urteilskraft.
    Verzeih mir, dass ich nicht für dich da war – dass ich dir nie gesagt und gezeigt habe, wie sehr ich dich und deine Muter geliebt habe, mehr als sonst etwas in meinem Leben.
     
    Dein ergebener, reumütiger und dich liebender Vater,
    Nathaniel.
    Es ist zu viel für ihn – zu vieles auf einmal, was es zu verstehen gilt.
    Behutsam fährt er mit den Fingerspitzen über den Brief. Spürt die Worte »Liebster Gideon«. Legt die Finger beider Hände auf die Zeile »Mein liebes, wundervolles Kind, ich bin so stolz auf das, was aus dir geworden ist …« Schließlich, fast als würde er Braille lesen, finden seine Finger die Worte, die ihn am meisten gerührt haben: »Verzeih mir, das ich nicht für dich da war – dass ich dir nie gesagt und gezeigt habe, wie sehr ich dich und deine Mutter geliebt habe, mehr als sonst etwas in meinem Leben.«
    Tränen steigen ihm in die Augen. Paradoxerweise hat er das Gefühl, als würde sein Vater gerade die Arme nach ihm ausstrecken. Es kommt ihm vor, als wären sie wie ein Gefängnisinsasse und dessen Besucher durch eine Glasscheibe voneinander getrennt und würden beide die Hände aneinanderlegen, um sich zu verabschieden und sich dabei zwar nicht körperlich, aber doch gefühlsmäßig zu berühren. Getrennt durch Leben und Tod wie durch eine unsichtbare Wand. Der Brief ist zu einer Glaswand geworden, durch die sein Vater von ihm Abschied nimmt.
     
    Megan sieht zu, ohne ihn zu stören. Nur hin und wieder wirft sie einen Blick auf ihre Armbanduhr. Obwohl sie allmählich ein schlechtes Gewissen bekommt, weil sie ihre kranke Vierjährige so lange bei Grandma warten lässt, versucht sie, sich ihre Unruhe nicht anmerken zu lassen. Sie merkt, wie sehr der Selbstmordbrief Gideon aufwühlt.
    »Möchten Sie eine Weile allein sein?«
    Er reagiert nicht. Der Kummer hat seinen Kopf wie in Watte gepackt.
    Sie räuspert sich. »Mr. Chase, es ist schon sehr spät. Könnten wir vielleicht einen Termin für morgen vereinbaren?«
    Langsam taucht er aus seiner Benommenheit auf. »Wie bitte?«
    Sie lächelt mitfühlend. »Morgen.« Sie macht eine Kopfbewegung in Richtung Brief. »Es gibt da ein paar Dinge, zu denen wir Sie gern befragen würden. Außerdem vermute ich, Sie werden selbst auch Fragen haben.«
    Er hat eine Menge Fragen, die nun schlagartig aus ihm herausbrechen. »Wie genau ist mein Vater gestorben?« Sein Blick wirkt gequält. »Ich weiß, Sie haben gesagt, er habe sich erschossen, aber was genau ist passiert? Wo war er? Um welche Zeit …« Die Stimme versagt ihm den Dienst. »Wann hat er es getan?«
    Megan verzieht keine Miene. »Er hat sich mit einer kleinen Handfeuerwaffe erschossen.« Sie kann nicht anders, als die Details hinzuzufügen: »Einer Webley Mark  IV . Das ist eine Pistole aus dem Ersten Weltkrieg.«
    »Ich wusste nicht mal, dass er überhaupt eine Waffe besaß.«
    »Sie war auf seinen Namen registriert. Auf einer Schießanlage hier in der Gegend hatte er damit ein paarmal geschossen.«
    Sein Schock wird immer größer.
    Sie kommt auf den schwierigen Teil zu sprechen. »Sie können ihn sehen. Offiziell identifiziert wurde er von seiner Putzfrau, die ihn gefunden hat, es besteht also keine Notwendigkeit, aber wenn Sie wollen, kann ich das für Sie arrangieren.«
    Er weiß nicht so recht, was er sagen soll. Einerseits will er das, was von seinem Vater übriggeblieben ist, nachdem er sich eine Kugel durch den Kopf gejagt hat, ganz bestimmt nicht sehen, andererseits fühlt er sich dazu verpflichtet. Wäre es
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