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Das Stonehenge - Ritual

Das Stonehenge - Ritual

Titel: Das Stonehenge - Ritual
Autoren: Sam Christer
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das nautische Zwielicht ins astronomische Zwielicht übergeht. Er steht genauso still wie die Soldaten aus blauem Stein, die ihn kreisförmig umgeben, ihn bewachen und schützen.
    Er ist allein.
    Wie ein altrömischer Haruspex wartet er geduldig auf die Götter.
    Schon bald beginnen sie mit sanft raschelnden Stimmen zu sprechen. Er saugt ihre Weisheit in sich auf und erkennt jetzt, was zu tun ist. Statt sich wegen des Selbstmords des Professors Sorgen zu machen, wird er seine Aufmerksamkeit mehr auf den Sohn richten. Und er wird überprüfen, ob das Opfer richtig bestattet worden ist. Falls seine sterblichen Überreste zum Vorschein kämen, wäre das eine Katastrophe. Vor allem aber wird er dafür sorgen, dass die zweite Phase der Erneuerung ihren baldigen Abschluss findet.
    Die Zeremonie muss zu Ende geführt werden.
    Langsam steigt der milchweiße Dampf an seinen Beinen empor. In diesem wundersamen Zwielicht erwachen die Sarsensteine zum Leben. Eine Sinnestäuschung? Ein
trompe l’oeil
? Er glaubt das nicht. Für einen Laien ist das Neulicht des Mondes kaum zu sehen, aber für einen Archäoastronomen wie ihn wirkt er wie ein Leuchtfeuer im Kosmos. Über den Himmelsgewölben bilden sich orbitale Landkarten, himmlische Zyklen nehmen ihren Anfang, und mit jedem Atom seines Körpers spürt er, wie die Sonne ihren Weg von Beltane in Richtung Sonnenwende allmählich vollendet.
    Noch sieben Tage bis zum Solstitium – dem Moment, in dem die Sonne stillsteht. Das Augenmerk aller wird sich auf das Morgengrauen richten, während es in Wirklichkeit doch auf der Dämmerung liegen sollte.
    Nach der Sonnwend-Mitternacht werden fünf volle Tage vergehen, bis schließlich an jenem mystischen Abend der erste Vollmond nach Solstitium kommen wird. Die Zeit der Erneuerung. Dann muss er zu den Geheiligten zurückkehren und vollenden, was er begonnen hat.
    Inzwischen hat sich der Himmel verdunkelt. Der Meister hält Ausschau nach dem Nordstern Polaris, dem Leitstern, dem hellsten Licht von Ursae Minoris. Ein göttliches Blinzeln in nächster Nähe des Himmelspols. Während der Blick des Meisters am schwarzen Vorhang des Himmels hinuntergleitet und auf die prähistorische Erde fällt, auf den Opferstein, hört er schaudernd die Befehle der Geheiligten.
    Die Götter werden ein Scheitern nicht dulden.

6
    Polizeipräsidium von Wiltshire in Devizes
    Detective Inspector Megan Baker möchte diesen Tag am liebsten gleich abhaken. Dabei ist er längst noch nicht zu Ende. Die drahtige Einunddreißigjährige hat ein krankes Kind zu Hause, aber niemanden mehr, der ihr hilft, seit sie ihren Ehemann hinausgeworfen hat. Zu allem Überfluss hat ihr irgend so ein dämlicher Professor einen scheußlichen Selbstmord beschert, so dass sie nun länger bleiben und von Angesicht zu Angesicht mit dem trauernden Sohn sprechen muss. Das und die bunte Mischung aus unbezahlten Rechnungen in ihrer Handtasche reicht eigentlich aus, um sie schon wieder zum Kochen zu bringen. Aber sie beherrscht sich.
    Ihre Eltern haben sich ein weiteres Mal bereit erklärt, auf Sammy aufzupassen – und es ist »nie ein Problem«, abgesehen von dem besserwisserischen Vortrag und den vielsagenden Blicken, wenn sie ihre kränkelnde vierjährige Tochter Stunden später als versprochen bei ihnen abholt. Aber sie wird nicht aufgeben. Es war immer ihr Wunsch, als Polizistin zu arbeiten, und trotz ihrer gescheiterten Ehe ist dem immer noch so.
    Ein Schluck Kaffee und mehrere Kaugummis lindern ihre Gier nach Nikotin. Als ihr Handy klingelt, wirft sie erst einen Blick auf das Display. UM , die Abkürzung für untreuer Mistkerl. Sie hat es einfach nicht geschafft, den richtigen Namen ihres Ex-Mannes einzugeben. Untreuer Mistkerl erschien ihr passender. Er arbeitet als uniformierter Inspektor in einer anderen Abteilung, aber ihre Wege kreuzen sich nach wie vor. Viel zu oft. Nicht nur beruflich, sondern auch privat, wenn er sein Besuchsrecht als Vater wahrnimmt. Was für sie immer noch schmerzhaft ist.
    UM hält nichts von vorab vereinbarten Besuchen. O nein. Das wäre mit seinem Lebensstil nach dem Motto »Leg alles flach, was einen Puls hat« zeitlich nicht zu vereinbaren. Er hält es für sein Recht, aufzutauchen, wann immer ihm der Sinn danach steht, Sammy zu sehen. Sie findet das einfach nicht fair. Weder ihrer Tochter noch ihr selbst gegenüber.
    Sie kann dem Drang, ihr läutendes Handy an die Wand zu pfeffern, kaum widerstehen. Eine Sekunde, bevor es auf die Mailbox umschaltet, reißt
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