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Das Stonehenge - Ritual

Das Stonehenge - Ritual

Titel: Das Stonehenge - Ritual
Autoren: Sam Christer
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Innere Kreis. Sie sind zu fünft, Repräsentanten der riesigen Trilithen, die innerhalb des Kreises von Stonehenge stehen. Alle tragen Umhänge mit Kapuzen: ein Zeichen des Respekts vor vergangenen Generationen, die ihr Leben hingaben, um diesen geheiligten Ort zu schaffen.
    Wenn sie das Initiationsritual durchlaufen, werden alle Jünger nach einem Gestirn benannt, dessen Anfangsbuchstabe jeweils mit dem Anfangsbuchstaben ihres Vornamens übereinstimmt. Dieser Deckmantel der Heimlichkeit ist eine weitere alte Tradition, ein Echo aus einer Epoche, als die ganze Welt von Sternen geleitet wurde.
    Draco ist groß und breit gebaut, was ihm eine machtvolle Ausstrahlung verleiht. Als Ältester der Fünf fungiert er als Hüter des Inneren Kreises. Sein Namen ist vom lateinischen Wort für »Drachen« abgeleitet, und gehört zu dem Sternbild, in dem vor fast dreitausend Jahren der Polarstern stand, der für die nördliche Welt von so großer Bedeutung war.
    »Was hört man denn so?« Unter der Kapuze lässt er seine perfekten Zähne blitzen. »Was treiben sie?«
    Mit »sie« ist die Polizei von Wiltshire gemeint, die älteste Grafschaftspolizei des Landes.
    Grus, ein untersetzter Mann Anfang fünfzig, antwortet rasch: »Er hat sich erschossen.«
    Musca wandert auf und ab, in Gedanken versunken. Die Kerzen werfen gespenstische Schatten auf die Steinwände hinter ihm. Obwohl er der Jüngste von ihnen allen ist, beherrscht er mit seiner körperlichen Präsenz den Raum. »Das hätte ich nie von ihm erwartet. Er war unserer Sache doch genauso ergeben wie wir alle.«
    »Er war ein Feigling«, bellt Draco zurück. »Er hat gewusst, was von ihm erwartet wurde.«
    Grus ignoriert den Ausbruch. »Das Ganze stellt uns vor
gewisse
Probleme.«
    Draco tritt näher. »Ich kann die Zeichen ebenso gut lesen wie du. Uns bleibt vor dem heiligen Nexus noch genug Zeit, diesen Sturm zu überstehen.«
    »Es war die Rede von einem Brief«, fügt Grus hinzu. »Aquila kennt jemanden im Ermittlungsteam. Demnach hat er seinem Sohn einen Brief hinterlassen.«
    »Seinem Sohn?« Draco versucht sich zu erinnern. Vor seinem geistigen Auge entsteht ein verschwommenes Bild: Nathaniel mit einem Kind, einem mageren Jungen mit einem dichten schwarzen Haarschopf. »Ich hatte ganz vergessen, dass er einen Sohn hat. Ist der nicht Dozent in Oxford geworden?«
    »Cambridge. Nun wird er nach Hause kommen.« Grus erklärt, was das bedeutet. »Zurück ins Haus seines
Vaters
. Und wer weiß, was er da womöglich alles findet.«
    Draco runzelt die Stirn und fixiert Musca. »Tu, was getan werden muss. Wir hatten alle eine gute Meinung von unserem Bruder. Zu Lebzeiten war er unser größter Verbündeter. Wir müssen sicherstellen, dass er sich im Tod nicht als unser schlimmster Feind entpuppt.«

5
    Abendlicher Nebel schwebt um den unteren Teil der Steine – ein meteorologischer Streich, durch den ein Archipel in einem Meer aus Wolken entsteht. Für die Autofahrer, die auf den nahe gelegenen Fernverkehrsstraßen vorbeibrausen, ist es ein besonders schönes Stimmungsbild, aber für die Jünger bedeutet es viel mehr.
    Dies ist die Stunde des Zwielichts.
L’heure bleue
. Es gibt diese kurze, kostbare Zeitspanne zweimal am Tag, zwischen Morgengrauen und Sonnenaufgang und zwischen Sonnenuntergang und Dämmerung – eine Zeit, in der Licht und Dunkel sich die Waage halten und die Geister aus den verborgenen Welten ein fragiles Gleichgewicht vorfinden.
    Der Henge-Meister kennt die Zeichen. Er weiß, dass zuerst das nautische Zwielicht kommt: wenn die Sonne sechs bis zwölf Grad hinter den Horizont sinkt und den Seeleuten die ersten verlässlichen Sternsichtungen liefert. Dann, wenn die Sonne zwölf bis achtzehn Grad unter den Horizont sinkt, folgt das astronomische Zwielicht.
    Grade. Geometrie. Die Position der Sonne. Ein heiliges Dreieck, über das Männer wie er Jahrhundert um Jahrhundert als Meister wachen. Ohne sie würde es Stonehenge nicht mehr geben. Dass es sich genau hier befindet, ist kein Zufall. Gemäß den Vorahnungen der größten Wahrsager und Archäoastronomen des Altertums wurde dieser Ort von den fortschrittlichsten Köpfen entworfen und geplant. Sein Bau erforderte eine derartige Genauigkeit, dass es mehr als ein halbes Jahrtausend dauerte, bis der Kreis fertiggestellt war.
    Nun, mehr als vier Jahrtausende später, widmen die Jünger den Steinen eine ebenso große Aufmerksamkeit für jedes Detail.
    Der Henge-Meister bezieht genau im dem Moment Stellung, als
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