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Das Steinbett

Das Steinbett

Titel: Das Steinbett
Autoren: Kjell Eriksson
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nichts, obwohl sie die dünnen Beine registrierte, die rechte Hand, deren Nägel hellrosa lackiert waren, das Muster des roten Kleides und die hellen Haare, die jetzt genauso rot waren wie das Kleid.
    Lindell richtete sich so schnell wieder auf, daß ihr schwarz vor Augen wurde.
    »Wissen wir, wer die beiden sind?« fragte sie, ohne jemanden direkt anzusprechen.
    »Nein«, erwiderte Åke Jansson. »Ich habe nach einem Portemonnaie, einer Tasche oder etwas Ähnlichem Ausschau gehalten, aber sie hatten nichts dergleichen dabei. Sie haben bestimmt in der Nähe gewohnt. Der LKW-Fahrer, der als erster hier war, glaubt, die beiden schon einmal gesehen zu haben. Er befährt die Straße jeden Tag.«
    Lindell hatte den Lastwagen registriert, der ungefähr dreißig Meter entfernt stand.
    »Du sollst doch keine Leichen anrühren«, schimpfte Ryde.
    »Ich wollte ja bloß wissen, wer sie waren«, sagte Jansson beleidigt.
    »Vielleicht wollten sie zur Kirche«, überlegte Haver.
    »Das Mädchen hat Blumen gepflückt«, meinte Ryde.
    »Woher weißt du das?«
    »Die Hände«, sagte Ryde.
    Vier Polizisten um einen Kinderkörper. Ryde deckte ihn behutsam wieder zu.
    »Wir schauen uns mal die Frau an«, sagte er.
     
    Sie war eine schöne Frau gewesen. Ihre Haare, im gleichen Farbton wie die des Mädchens, waren kurzgeschnitten und gaben dem Gesicht einen strengen Rahmen. Von dieser Strenge war nicht mehr viel geblieben, aber Lindell begriff, daß sie eine Frau gewesen war, nach der man sich umsah, der man zuhörte. Sie glaubte, Selbstbewußtsein und Willenskraft in ihren Zügen zu erkennen, auch wenn sich ein scharfer Stein in ihr Kinn gebohrt hatte.
    In den Ohrläppchen Gold, am linken Ringfinger ein schwerer Goldring und an der rechten Hand ein silberner Ring mit eingefaßten Steinen. Mit ihren gepflegten Fingernägeln hatte sie zwischen dem üppigen Grün des Straßengrabens und dem schwarzen, gesprungenen Asphalt Muster in den Schotter geritzt.
    Ihr Kleid war khakifarben und sommerlich leicht. Auf dem schmalen Rücken war der Abdruck eines Autoreifens zu erkennen.
    Sie hatte blaue Augen, aber ihr Blick war gebrochen.
     
    Lindell schaute auf und ließ den Blick über die Landschaft schweifen. Es war vollkommen windstill, und vom See schallte das Geräusch eines Motorboots herüber. Auf der Weidenallee, die zum Gut Ytternäs hinaufführte, näherte sich ihnen ein Mann. Er ging langsam, aber Lindell sah, daß er die Gruppe von Autos, die am Straßenrand parkten, bemerkt hatte. Da kommt der erste Schaulustige, dachte sie und drehte sich schnell um.
    »Die Identifizierung ist im Moment das wichtigste. Wer ist hier der Pfarrer?« sagte Lindell und sah Sammy Nilsson an, der den Kopf schüttelte.
    »Keine Ahnung«, antwortete er. »Ich geh mal zur Kirche. Vielleicht gibt es dort ein Schwarzes Brett.«
     
    Lindell ging zu dem Lastwagen hinüber. Åke Jansson zufolge saß der Fahrer in der Fahrerkabine; als sie näher kam, erblickte sie sein Gesicht im Rückspiegel. Er öffnete die Tür und glitt mit einer geübten, aber dennoch steifen und ungelenken Bewegung vom Sitz herab.
    »Guten Tag, Ann Lindell von der Polizei. Sie waren als erster vor Ort?«
    Der Mann nickte und ergriff die Hand, die sie ihm entgegenstreckte.
    »Sie haben die beiden schon einmal gesehen?«
    »Ich denke schon.«
    »Entschuldigung, wie heißen Sie eigentlich? Ich habe vergessen zu fragen.«
    »Lindberg, Janne Lindberg. Ich wohne da drüben«, sagte er.
    »Sie haben die beiden also wiedererkannt?«
    »Ja, sie gehen regelmäßig auf dieser Straße. Ich glaube, sie wohnen drüben bei Vreta udde, aber ich kenne die Frau nicht persönlich.«
    »Sie war eine schöne Frau.«
    Janne Lindberg nickte.
    »Sie kamen von zu Hause und wollten in die Stadt? Wann war das?«
    »Ungefähr um neun.«
    »Erzählen Sie mir, was Sie gesehen haben.«
    »Als erstes habe ich die Mutter gesehen, dann das Mädchen.«
    »Sind Sie Brillenträger?«
    »Nein, wieso?«
    »Sie kneifen die Augen so zusammen.«
    »Das ist wegen der Sonne.«
    »Was haben Sie dann getan?«
    »Ich hab nachgesehen, ob sie noch leben.« Der Mann schüttelte den Kopf. »Dann habe ich angerufen.«
    »Sie haben die beiden also nicht überfahren?«
    Die Frage ließ den Fahrer zusammenzucken, und er starrte Lindell an. »Was zum Teufel«, brachte er hervor. »Glauben Sie, ich überfahre eine Mutter mit Kind! Ich bin LKW-Fahrer.«
    »Das ist alles schon vorgekommen. Darf ich mal einen Blick auf Ihr Handy werfen?«
    »Warum denn
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