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Das Spiel des Schicksals

Das Spiel des Schicksals

Titel: Das Spiel des Schicksals
Autoren: L. R. Powell
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aufgesprungen. Ihr Tisch war zusammen mit dem Rad umgekippt. Ihre Augen glühten, aber sie rührten sich nicht, gaben keinen Laut von sich. Alastor hatte die Wahrheit gesagt, als er behauptete, dass die Höfe sich an die Regeln hielten.
    Cat fühlte ein Brüllen in ihren Ohren; ihr Blut sang in ihren Adern. Eine wilde Freude durchströmte sie: So war
es also, wenn man siegte. Der Moment des Triumphs! Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte, als Flora vortrat, den Eissplitter packte und ihn über den verdrehten Wurzeln ausdrückte, sodass das Wasser zwischen ihren Fingern hindurchlief. Die Wurzeln wurden runzlig, die Blüten verwandelten sich in schmutziges Braun und der Rinde entströmte der Gestank nach Fäulnis.
    Blaine entzündete das Feuerzeug und hielt die Flamme an einen Zweig. Einen Moment lang erglühten das Geäst, das Laub und die Blüten in einem rosigen Gold, ehe der Baum in einem knisternden und zischenden Flammeninferno aufging, das brannte und brannte und nicht ersterben wollte.
    Jetzt blieb nur noch eins.
    Cat öffnete die Käfigtür. Zum letzten Mal hielt sie die Wurzel der Luft in ihren Händen, warm und weich. Dann warf sie den Vogel in die Höhe.
    Er flog geradewegs ins Herz der Feuersbrunst, wo er sich auf einem Ast niederließ und ein Lied anstimmte. Wie zur Antwort erhob sich ein mächtiger Wind und raste brüllend durch den Flammenbaum, blies Funken hierhin und nirgendwohin, bis nichts mehr übrig war außer Asche, weicher weißer Asche, so dick wie ein Blütenteppich, so dicht wie Schnee. Asche, die sich erhob und verwehte.
    Aus dem weißen Sturmgestöber tauchte ein Mann auf. Sein Gesicht war alt und jung, und seine Augen strahlten in unschuldigem Blau. »Ave Fortuna. Sehet, der Tag meiner Erlösung ist gekommen!«

    Die tanzenden Flocken waren glühend heiß, doch schon nach kurzer Zeit wurde ihr Stechen eisig kalt. Der Wind hatte das Frühlingslaub und das rosige Licht davongeweht und nur Winter und Dunkelheit zurückgelassen. Und einen ganz gewöhnlichen Kirschbaum. Aber der Mercury Square taumelte noch immer zwischen den beiden Seiten der Schwelle hin und her. Spieler drängten sich auf dem Platz, weit mehr als vorher, obwohl ihre Gegenwart jetzt so still und schattenhaft wie die von Geistern war. Unter ihnen glaubte Cat Gesichter zu sehen, die sie kannte: die kostümierten Feiernden aus dem Club Hecuba, ein zerlumpter Obdachloser, eine alte Dame in einem spitzenbesetzten Nachtjäckchen …
    Der Mann kam auf die Joker zu. »Meine vier weisen Narren! Was für Wunder habt ihr gewirkt! Und so können wir jetzt gemeinsam das letzte Spiel antreten.«
    Verständnislos schauten sie ihn an. Es war, als sei ihnen alles abhanden gekommen – Sprache, Bewegung, Gedanken … alles.
    »Denn jetzt beginnt die Runde der neuen Wendungen, der Umkehrung, während die Glücksgöttin sich einen Spaß mit dem Lord des Chaos erlaubt.« Triumphierend wandte er sich den Königen und Königinnen zu. »Ihr durftet ein gutes Spiel erleben, aber das Rad hat sich gedreht, und eure Karten sind ausgespielt. Werdet ihr auf eure Trümpfe verzichten?«
    Die Königin der Münzen antwortete mit blutleeren Lippen. »Ja.« Alle vier wirkten merkwürdig geschrumpft: farblos, mit neuen Falten in den Gesichtern und eingefallenen
Wangen. Ihre Schultern bebten in der Düsternis.
    »Dann hört das Urteil: Zurück mit euch in die verlorenen Jahre des Spiels, in die letzten Züge eurer Ritterschaft! Einst wart ihr gewöhnliche Spieler, und dort – in der Verbannung – sollt ihr euch wiederfinden. Aber diesmal werdet ihr die Niederlage kosten, nicht den süßen Triumph.«
    Unbemerkt im Rauschen und Brüllen des Windes hatte sich das Rad wie von Zauberhand wieder aufgerichtet und stand auf seinem ursprünglichen Platz unter dem Kirschbaum. »Sum sine regno«, sagte der König der Schwerter mit einem Geist seines alten Lächelns, als sich das Rad von selbst anfing zu drehen. Den Mündern der Spieler entschlüpfte ein Aufseufzen; eine einzige Revolution hatte alle Könige und Königinnen beiseitegefegt.
    Der neue Spielführer hob die Hände. »Nun ist jede Karte frei. Lasst die Würfel rollen! Die Züge können beendet werden. Meine Freunde, die Zeit ist gekommen, da wir frei und fair spielen können. Wählt eure Karte. Wählt euren Preis!«
    Cat schaute auf die zerknüllte Karte in ihrer Hand. Die Karte, die sie aus der Krypta des Gehängten mitgebracht hatte. Die Karte, die ihr Gerechtigkeit versprach. Die Karte war noch immer
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