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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel
Autoren: Krystyna Kuhn
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verfolgen. Die versuchen, mir alles kaputt zu machen, was ich mir aufgebaut habe.«
    Julia ahnte, wovon er sprach.
    »Wissen bedeutet Macht«, hatte dieser Kriminalbeamte in Berlin ihr und ihrem Bruder erklärt. »Wenn irgendjemand erfährt, wo ihr seid, dann seid ihr in Gefahr. Also vertraut niemandem, versteht ihr? Niemandem. Nur ihr könnt euer Geheimnis hüten.«
    »Aber ich weiß nichts!« Julia konnte kaum sprechen, weil Alex’ Hände sich nun um ihren Kehlkopf legten.
    »Meinst du, ich kapier nicht, weshalb du hier bist? Warum du in meinem Büro rumgeschnüffelt hast, mitten in der Nacht? Den Umschlag geklaut hast? Erst diese blöde Debbie, dann du. Dachtest wohl, ich merk das nicht, was? Aber ihr täuscht euch! Ich merke alles und ich durchschaue euch! Dir ging es doch auch nur um das eine, oder? Deshalb hast du in dem See dein Leben riskiert, hast nichts von diesem Medaillon erzählt, oder? Du willst es wie alle kleinen Schlampen machen.« Alex’ Stimme war nur noch ein einziges heiseres Flüstern. »Du willst mich erpressen!«
    »Nein, das alles hatte nichts mit dir zu tun«, krächzte Julia, doch Alex hörte gar nicht zu.
    »Auch Angela dachte, sie könnte mir meine Zukunft nehmen, aber sie hat sich getäuscht.« Er lachte kurz auf. »Ihr alle täuscht euch! Mein Leben gehört mir, verstehst du! Mir ganz allein! Und nicht euch miesen Nutten!« Für den Bruchteil einer Sekunde schwieg er. »Warum konntet ihr mich nicht einfach in Ruhe lassen? Jetzt ist alles zu spät!« Plötzlich klang es, als sei Alex den Tränen nahe. Zumindest lockerte sich seine Hand. Julia konnte sich wieder bewegen.
    »Debbie«, murmelte sie. »Wir müssen ihr helfen.« Sie versuchte sich umzudrehen.
    Abermals umklammerten Alex’ Hände ihren Nacken. »Rühr dich nicht von der Stelle«, zischte er.
    »Ich bin gut im Hüten von Geheimnissen«, sagte Julia verzweifelt. »Und ich sorge auch dafür, dass Debbie die Klappe hält. Ich schwör es dir.« Sie bemühte sich, etwas in ihre Stimme zu legen, das klang wie ein Versprechen, das bedeutete: Du kannst mir vertrauen.
    »Ach, jetzt kommt die psychologische Tour, was?« Alex lachte und es klang, als wäre seine Stimmung abermals umgeschlagen, als amüsiere er sich nun tatsächlich. »Du denkst, ich bin wahnsinnig geworden, was? Du verstehst einfach nichts. Aber das ist das Problem mit euch Frischlingen. Ihr braucht zu lange, um zu kapieren, was hier läuft. Nein, ich bin nicht wahnsinnig, sondern Realist! Der Gag ist nicht, was geht in mir vor, sondern um uns herum? Du hast das Tal nicht verstanden, oder?«
    Das Tal nicht verstanden?
    Was meinte er damit?
    Die Unterhaltung nahm einen total absurden Verlauf.
    »Wovon sprichst du …«
    Ein kurzes Lachen und dann flüsterte Alex: »Spürst du es nicht? Wir alle verändern uns an diesem Ort. Das Tal macht etwas mit uns. Als ich hier ankam, war ich ein völlig anderer Mensch. Alles, dachte ich, kann mir gelingen. Einfach alles. Aber mit der Zeit habe ich verstanden: Hier lässt man die Vergangenheit hinter sich und wird derjenige, der tief in einem steckt.«
    Julia spürte, wie ihr die Luft wegblieb, während Alex weitersprach. »Keiner versteht es. Nicht so wie ich. Es geht um den Abschied, um den Abschied von dem, was außerhalb des Tals liegt. Das hier ist ein Labor, ein Labor in der Wildnis, und wer entkommen will, muss seinen eigenen Weg finden.«
    Er war verrückt geworden. Womit Angela auch immer ihn erpresst hatte, bei all ihrer Intelligenz hatte sie Alex Cooper offensichtlich unterschätzt und nicht bemerkt, dass sie an einen Wahnsinnigen geraten war.
    »Die Gesetze der Welt draußen lösen sich hier auf, verstehst du? Das ist ja der Clou! Jeder hat im Tal eine Aufgabe zu bewältigen.«
    Eine Weile herrschte ein seltsames Schweigen, als würde jemand die Bewegung der Welt stoppen. Julia dachte darüber nach, was Alex gesagt hatte. Dann war der Moment vorbei. Sie kehrte in die Umlaufbahn der Realität zurück.
    Die Hand um ihre Kehle zitterte. Sollte sie es wagen, sich zu bewegen?
    Nein! Zu früh! Sie musste Alex das Gefühl geben, er allein habe die Kontrolle.
    Lass ihn reden. Einfach reden. Bring ihn dazu, mit dir zu sprechen, dann tut er dir vielleicht nichts.
    »Mich interessiert nur eines: War das alles so wichtig, dass Angela sterben musste?«
    »Du hast sie nicht gekannt! Sie machte auf Mitleid, tarnte sich mit ihrem Rollstuhl, aber sie war ein Parasit. Ein Parasit in meinem Leben.« Sein Fuß traf Debbie. »Genau wie die
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