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Ritterspiele

Ritterspiele

Titel: Ritterspiele
Autoren: Robert Bringston
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Prolog

    Schon lange hatte ich dieses Gefühl vermisst. Einfach nur auf dem Rücken eines schnellen Pferdes durch die hügeligen Landstriche meiner Heimat reiten. Die Bäume flogen vorüber. Das rhythmische Schlagen der Hufe auf dem weichen Boden, der intensive Duft des Waldes und das Plätschern eines Baches ließen vergessene Jugenderinnerungen wach werden. An einem kleinen Wasserlauf hielt ich an. In aller Ruhe konnten wir hier unseren Durst löschen. Laut schlürfend trank Hector neben mir von dem kalten Wasser. Ich musste schmunzeln. Hector war ein gutes Tier. Erst vor vier Wochen hatte ich ihn in London erstanden. Ich war froh, wieder ein schnelles Pferd unter mir zu haben.
    Seit dem frühen Morgen war ich nun unterwegs. Die ersten Stunden noch zusammen mit dem Tross, der, mit mir an der Spitze, von Westminster aufgebrochen war. Nach der Mittagspause konnte ich nicht länger warten. Trotz heftiger Proteste meiner Begleiter hielt ich es nicht mehr aus. Ohne Rücksicht auf die warnenden Worte war ich aufgebrochen und hatte den langsamen Wagenzug hinter mir gelassen. Ich wollte alleine sein, wenn sich die ersten Turmspitzen von Dennery Castle vor dem Abendhimmel zeigten. Vor mehr als zehn Jahren hatte ich die Burg meiner Vorväter verlassen. Als Knappe war ich an Lord Wilchesters Seite ausgezogen, um die Welt zu erobern. Als Earl of Haringshire würde ich heute Abend in der großen Halle meine ersten Gäste empfangen.

    Sommer 1453, der Krieg in Frankreich war verloren. Der Befehlshaber der englischen Armee, John Talbot, war am 17.Juli auf dem Schlachtfeld bei Castillion seinen Verletzungen erlegen. Der Pfeil eines französischen Bogenschützens hatte seine linke Brust durchbohrt. Mehr als tausend Ritter und über dreitausend Bewaffnete waren zum Kampf ausgezogen. Eine geschlagene Armee kehrte nun nach England zurück. Wobei die Bezeichnung Armee für die wenigen Hundert Mann, die überlebt hatten, eine ruhmreiche, aber wenig wahrheitsgetreue Bezeichnung war. Seite an Seite hatte ich mit meinen Kameraden gekämpft und doch die meisten von ihnen dabei verloren. Der Klang von schweren Rüstungen, die aufeinander prallten, hallte noch immer in meinen Ohren. Das Aufblitzen von Schwertern im Sonnenlicht ließ mich regelmäßig nachts hochfahren, aber stets umhüllte mich eine tiefe Dunkelheit. Dankbar fiel ich dann wieder zurück auf mein Lager und wühlte mich durch unruhige Nächte.
    Seit einigen Wochen hielt ich mich nun schon in London auf. In unserem prächtigen Stadthaus hatte ich ungeduldig auf Neuigkeiten meiner Familie gewartet. Meine Schwester lebte bei ihrem Mann in Wales. Um sie brauchte ich mir keine Sorgen zu machen. Schon kurz nach dem Tod unsere Mutter war sie mit dem reichen Duke of Sielfield verheiratet worden.
    Mehr als zwei Jahre war es nun schon her, dass mein Vater, mein älterer Bruder William und ich nach Frankreich eingeschifft hatten. In den Kriegswirren hatte ich die beiden aus den Augen verloren. Es quälte mich, dass ich ohne Vater und Bruder den Heimweg angetreten hatte. Aber als sie nach drei langen Wochen Wartezeit in einem französischen Hafen nicht gekommen waren, konnte ich meine Abreise nicht länger aufschieben.
    An einem frühen Morgen brachte nun ein Bote das dringende Ersuchen, mich unverzüglich in Westminster einzufinden. Als ich kurze Zeit später in das Gesicht des Lord Protektors seiner Majestät blickte, ahnte ich bereits Schreckliches.
    Geoffrey Bondesque war schon seit vielen Jahren ein enger Freund meines Vaters. Als junger Bursche sehnte ich immer die seltenen Besuche in unserem Hause herbei. Die exotischen Leckereien, die er mir mitbrachte, und seine Geschichten von langen Reisen hatten in mir den Wunsch nach Abenteuern in fremden Ländern geweckt.
    »Mein lieber Junge«, sagte er müde, »leider habe ich schlechte Nachrichten.« Er stützte sich schwer auf die Lehne eines Stuhles. Sein Gesicht sah plötzlich sehr alt aus. »Dein Bruder William ist seinen schweren Verletzungen in Frankreich erlegen.«
    Er machte eine einladende Bewegung.
    »Setz dich doch bitte.« Sein Gesicht verdüsterte sich zusehends. Ich glaubte, mein Herz würde aussetzten. Was würde jetzt noch kommen?
    »Leider muss ich dir auch sagen, dass dein Vater nicht zu uns zurückgekehrt ist.«
    Er kam zu mir und legte seine Hand auf meine Schulter. 
    »Es tut mir leid. Auch der König lässt dir seine Anteilnahme ausrichten. Dein Vater und dein Bruder sind immer eine wichtige Stütze für Englands
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