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Ritterspiele

Ritterspiele

Titel: Ritterspiele
Autoren: Robert Bringston
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gehörte ich hin. Auch wenn das neue Amt schwer auf meinen Schultern lasten würde, solange ich es schaffte, mir Augenblicke wie diese zu erhalten, würde ich nicht verzagen. Tief atmete ich die Luft ein und schrie laut meine letzten Zweifel heraus.
    Wir erreichten eine von alten Weiden umgebene Lichtung. Ich ließ Hector auslaufen, der in einen gemächlichen Schritt fiel und dann am Ufer eines Sees stehen blieb. Er schüttelte schnaubend seinen Kopf und blies prüfend über die Wasseroberfläche, bevor er das Maul ins Wasser tauchte und trank. Lächelnd glitt ich aus dem Sattel und tat es ihm gleich. Das kühle Nass erfrischte mein Gesicht und machte den Kopf klarer. Mein Blick folgte den sanften Wellenringen, die wir ausgelöst hatten und die nun langsam in der Mitte des Sees ausliefen. Ich spürte, wie mein braves Pferd seinen Kopf an meiner Schulter rieb. Gedankenverloren rieb ich ihm über die helle Blesse an der Stirn.
    »Ja, Hector, ich weiß, wir müssen weiter. Es ist soviel passiert. Als ich vor zehn Jahren von hier fortging, war ich noch ein Junge. Heute komme ich als Lord Haringshire in meine Heimat zurück. Das erscheint mir alles wie in einem Traum. Aber ich befürchte, dass daraus sehr schnell Wirklichkeit werden wird. Komm, wir müssen uns beeilen. Ich habe noch etwas vor, bis es soweit ist.«
    Noch im Hellen erreichten wir Gweidorbrigde, das kleine Dorf an der Brücke mit dem gleichen Namen. Die wenigen Häuser lagen in Sichtweite am anderen Ufer. Das laute Geschrei tobender Kinder drang an mein Ohr. Ebenso wie das unvermeidliche Fluchen eines alten Mannes, dem die Jungen wieder einmal einen Streich gespielt hatten. Auch ich hatte hier einen Teil meiner unbeschwerten Kindheit verbracht. Erst später hatte mir mein Vater den Umgang mit den Dorfburschen untersagt.
    Hier sollte ich am nächsten Morgen mein Gefolge, wie Arthur es genannt hatte, treffen. Der Weg führte durch das Dorf und machte später noch eine weite Schleife um den Alwensee, der an einer Seite bis an die Burg reichte.
    Ich hielt mich etwas abseits der schmalen Straße. Von hier, wo ich jetzt stand, war es allerdings nur noch ein kurzer Weg, quer durch den Wald, schon wäre ich an Pferdeställen von Dennery Castle, die etwas abseits unterhalb am Fuße der Burg lagen. Wie es dort wohl nach all den Jahren aussehen würde? Ich lenkte Hector ein gutes Stück zurück und suchte eine flache Furt über den Fluss. Jetzt, im Sommer, war der Gweidor eher ein schmales Rinnsal, nur nach der Schneeschmelze im Frühjahr wurde er zu einem reißenden Strom.
    Die Bäume im Wald erschienen mir viel kleiner als früher. Das unwegsame Gelände, in dem damals Ungeheuer gehaust hatten, war heute viel flacher und übersichtlicher. Dort, wo ehedem kühne Ritter hilflose Prinzessinnen von Drachen befreien mussten oder uralte Riesen vertrieben worden waren, wuchsen heute bunte Waldblumen und Farne. Das Land hatte sich von den dunklen Schrecken der Vergangenheit erholt. Ich musste leise lachen. Es war doch eine schöne Kinderzeit gewesen. Würde ich hier wieder glücklich werden? Würde ich in ein paar Jahren sagen können, dass es neben den guten alten Erinnerungen auch gute neue Erinnerungen gab?
    Der dichte Wald vor mir lichtete sich und gab den Blick frei auf Dennery Castle. Auf einer Anhöhe lag die altehrwürdige Burg meiner Vorfahren. Die untergehende Sonne brachte die Dachschindeln auf der Westseite des Haupthauses zum Glühen. Die dicken, trutzigen Mauern und das hohe Torhaus mit der großen Zugbrücke gaben dem Gemäuer ein abweisendes Aussehen. Hier und da hatte es Ansätze gegeben, den riesigen, alten Wehrturm, der in der Mitte der Anlage errichtet worden war und als Wohnhaus für die Besitzer diente, umzubauen. Aber alle Versuche, es den Hausherren bequemer zu machen, hatten wenig bewirkt. Die Burg war nun einmal von je her als Verteidigungswall gegen schottische Angreifer gedacht gewesen. Die große Einganghalle wurde auch im Hochsommer nicht warm. Durch die hohen, schmalen Maueröffnungen drang wenig Licht in den Raum, im Winter aber umso mehr Kälte. Trotz des mannshohen Kamins an der Stirnseite wollte es dort nicht sonderlich gemütlich werden. Nur in den privaten Gemächern meiner Eltern, die darüber lagen, hatte mein Vater schon frühzeitig neue Fenster mit bunten Gläsern einbauen lassen.
    Mein bevorzugter Ort war immer schon das Pferdegestüt gewesen. Hier hatte ich reiten gelernt und auch meine ersten Lektionen im Schwertkampf erhalten.
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