Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ritterspiele

Ritterspiele

Titel: Ritterspiele
Autoren: Robert Bringston
Vom Netzwerk:
Krone gewesen.«
    Sprachlos sah ich ihn an. Und plötzlich war in meiner Welt nichts mehr so, wie es gewesen war. Von einem zum anderen Augenblick hatte sich alles verändert.
    »Seine Majestät bittet dich zu einer Audienz. Bitte komm in zwei Tagen, gegen Mittag, wieder hierher.«
    Erst nach einer ganzen Weile bemerkte ich, dass ich alleine im Raum war.
    Auf einem Vorsprung vor dem offenen Fenster saß ein kleiner, bunter Vogel. Er plusterte sich auf und schlug mit den Flügeln. Dann legte er den Kopf zur Seite und sah mich neugierig an.
    Tränen liefen mir über die Wangen. Ich erinnerte mich noch gut an die Hochzeit meiner Schwester vor fünf Jahren. Damals waren wir alle zu einem grandiosen Fest zusammen gekommen. Ein glücklicher Augenblick im Kreis der Familie. Vater war Hauptmann der königlichen Leibgarde gewesen, mein Bruder Lehnsherr, der Earl of Haringshire. Meine eigene Welt hatte sich bislang nur um Reitturniere, Schwertkampf und Bogenschließen gedreht. Am Ende meiner Dienstzeit als Knappe hatte ich meinen Platz unter den jungen Adligen gefunden, die jederzeit mannhaft und siegessicher den nächsten Kampf suchten. Meine Geschicklichkeit im Umgang mit dem Schwert hatte mich dann auch in den Krieg auf den Kontinent geführt.
    Zwei lange Jahre dauerten die blutigen Auseinandersetzungen, bis König Henry VI. sich der französischen Übermacht geschlagen geben musste.
    Der Vogel flog davon. In einen weiten, blauen Himmel. War bald nur noch ein kleiner schwarzer Punkt, bis auch dieser dann nach einer Weile gänzlich verschwunden war. Ich starrte noch lange aus dem Fenster.
    Mein Pferd musste den Weg nach Hause alleine gefunden haben. Meine Beine alleine den Weg in mein Bett. Nachts wachte ich auf, sah aus dem Fenster in einen sternenklaren Himmel und schlief wieder ein. Die nächsten Tage und Nächte waren nicht besser. Die Welt, wie ich sie gekannt hatte, war zerbrochen.

    Im Audienzsaal von Westminster herrschte ein reges Treiben. Ein geschäftiges Kommen und Gehen von Pagen und Dienstboten, mehrere kleine Gruppen von Edelleuten, die sich leise unterhielten, erinnerten mich an einen summenden Bienenschwarm. Ich saß nun schon seit längerem auf einem bequemen Stuhl, den man mir zugewiesen hatte. Niemand kümmerte sich um mich, und bis jetzt hatte ich auch noch kein mir bekanntes Gesicht entdecken können.
    Ruckartig öffneten sich plötzlich die breiten Flügeltüren auf der gegenüberliegenden Seite, und es wurde still um mich herum.
    Ein kleiner Mann mittleren Alters betrat den Raum. Ich hatte den König bislang nur von Weitem gesehen, aber als er mit gelassener Ruhe auf dem erhöhten Stuhl Platz nahm, wurde mir klar, warum dieser unscheinbare Mann in der Lage war, dieses gewaltige Reich zu regieren. Der scharfe Blick, dem nichts entging, und ein ernstes und doch zugleich freundliches Lächeln, mit dem er nun eine kleine Schar Untertanen begrüßte, strahlten eine überwältigende Sicherheit und Kraft aus.
    Seine Ansprache richtete sich an die anwesenden Lords. Der schmerzlich verlorene Krieg drückte auf das Gemüt aller Zuhörer. Ich begann mich bereits zu fragen, warum ich heute hier war, als mein Name gerufen wurde.
    »Richard Haringshire, tretet vor.«
    Der König hatte sich erhoben und sah in die Runde. Verwirrt suchte ich einen Weg nach vorne und kniete unsicher vor ihm nieder.
    »Nach dem traurigen Verlust unserer geliebten Vasallen, Eures ehrenwerten Bruders und Eures, vor mir hoch geschätzten Vater, sehen Wir es als Unsere Pflicht an, Euch, dem einzigen verbliebenen Vertreter Eurer Familie, Unseren Dank auszusprechen.«
    Ich hörte, wie eine Schwertklinge aus einer Scheide gezogen wurde.
    Ich wagte nicht aufzublicken, als ein Raunen durch die Reihen der hinter mir stehenden Männer ging.
    »Hiermit ernennen Wir, Henry VI.,,von Gottes Gnaden König von England, Euch, Lord Richard, zum Earl of Haringshire.«
    Die Spitze einer kalten Klinge berührte kurz meine linke Schulter.
    »Ihr dürft Euch erheben.«
    Benommen kam ich langsam auf die Beine und sah meinem König in die Augen.
    »Wir hoffen, Ihr werdet ein ebenso treuer Diener des Landes werden, wie es Euer Vater und Euer Bruder waren«, sagte er mit einem wohlvollenden Nicken.
    »Ich werde meine ganze Kraft darauf verwenden.«
    Immer noch überrascht von den überstürzten Ereignissen verbeugte ich mich tief und trat vorsichtig einige Schritte zurück. Verwirrt tauchte ich wieder in der Menge der anderen Männer unter. Einige sahen mich mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher