Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel
Autoren: Krystyna Kuhn
Vom Netzwerk:
steuerte direkt auf eine riesige glitzernde Fläche zu.
    Trotz der Dunkelheit konnte man den See nicht nur erahnen, sondern Julia konnte ihn deutlich sehen – fast als würde er aus sich heraus leuchten. Als glitzerten unzählige Lichter unter der Wasseroberfläche. Und ihr schien, als breite sich der See endlos im Tal aus – als kenne er keine Grenzen, so kam es Julia zumindest vor. Weder die gegenüberliegenden Berge konnte man im Dunkeln erkennen noch das Ufer, das doch irgendwo in der Ferne den See einschließen musste.
    Und dann – links am Ende der Straße – lag es: das Collegegebäude, schätzungsweise noch eine Viertelmeile entfernt. Es war hell erleuchtet.
    Julia hatte es sich moderner vorgestellt. Stattdessen fuhren sie auf ein riesiges Gebäude zu, das mit den vielen Schornsteinen, unzähligen Balkonen, Fenstern und Seitenflügeln wirkte, als hätte es im Laufe seiner Geschichte mehrere Umbauten hinter sich. Zudem wirkte es nicht einladend, wie Julia nach der langen Reise gehofft hatte, sondern vielmehr abweisend, wenn nicht sogar unheimlich. Wie ein Fremdkörper in diesem Tal, etwas, das nicht hierhergehörte. Ja, fast schien es Julia, als weiche die schwarz glänzende Fläche des Lake Mirror vor dem Gebäude zurück.
    Alex trat auf die Bremse und der Wagen wurde langsamer.
    Julia reckte den Kopf. Die Scheinwerfer strahlten einen rot-weiß gestreiften Schlagbaum an. Als handele es sich um eine Staatsgrenze, dachte Julia und überlegte, wo sie den Pass hingesteckt hatte. Mit diesem ätzenden Verbrecherfoto, nur dass anstelle einer Gefangenennummer der Name Julia Frost darunterstand.
    Die Wagenräder knirschten.
    »Moment«, sagte Alex, ließ das Fenster hinunter, lehnte sich hinaus und sprach in eine unsichtbare Sprechanlage: »Alex Cooper. Können Sie die Schranke öffnen?«
    Wenige Sekunden später hob sich lautlos der Schlagbaum und Alex fuhr los. Durch das geöffnete Wagenfenster drang raue Nachtluft, so kalt, dass Julia dachte: Genauso gut könnte ich den Kopf in eine Gefriertruhe stecken. Kann er das verdammte Fenster nicht wieder zumachen? Doch bevor sie sich beschweren konnte, tauchte das Schild auf. Grüne verschnörkelte Schrift auf weißem Hintergrund, die von unzähligen Lämpchen erleuchtet wurde, als sei Weihnachten mitten im Sommer.
    Welcome in Grace Valley
    Sie hatten es geschafft. Die Zeit stand nicht still.
    *
    »Ihr seid da!«, sagte Alex und drehte sich kurz zu ihr um. Nein, dachte Julia, wir sind fort! Für immer!
    »Achtung!« Robert schrie auf. »Da steht jemand!«
    Alex’ Blick schoss nach vorn, die Reifen drehten durch, der Wagen kam abrupt zum Stehen.
    Die Dogge sprang hoch und legte die Pfoten auf Julias Schoß.
    Roberts Stimme zitterte. »Was war das?«
    »Mann, hast du mich erschreckt!« Alex sah Robert ärgerlich an.
    »Sorry, aber da am Wegrand! Da war etwas! Du hättest es fast gestreift. Ich glaube, es war ein Mensch!«
    Julia starrte aus dem Fenster. Die nächste Laterne war knapp hundert Meter entfernt, sodass nur das Scheinwerferlicht die Umgebung um sie herum erhellte, rechts Bäume, links ein zum College hin abfallendes Feld, das mit Gestrüpp bewachsen war. Überall lagen größere und kleinere Felsbrocken oder Steine, doch niemand war zu sehen.
    Auch Alex blickte sich um, doch dann schüttelte er den Kopf.
    »Du hast dich getäuscht«, sagte er und setzte den Rover in Bewegung. »Diese Steine hier kann man in der Dunkelheit leicht mit einem Tier oder einem Menschen verwechseln.«
    »Ich habe mich nicht getäuscht«, erwiderte Robert bestimmt. »Da war jemand.« Julia hörte aus seiner Stimme diesen Starrsinn, der typisch für ihn war. War ihr Bruder erst einmal von etwas überzeugt, konnten nichts und niemand ihn davon abbringen. Das wusste sie aus Erfahrung.
    War das der Grund, weshalb sie sich umwandte?
    Die Rücklichter hinterließen rote Punkte wie eine Leuchtspur auf der dunklen, schmalen Straße. Alex drosselte das Tempo. Die Bremslichter leuchteten kurz auf, und … da! Mitten auf dem Weg stand etwas und starrte dem Wagen nach.
    Ein Mensch? Nein – irgendetwas anderes, kleiner, kompakter …
    Doch ein Tier?
    Nein! Robert hatte recht!
    Es war tatsächlich ein Mensch! Für eine Sekunde erkannte Julia eine Hand, die ihnen hinterherwinkte. Eine Hand, die zu jemandem gehörte, der in einem Rollstuhl saß.
    Die Stimmen von Alex und Robert verschwammen. Sie wurden übertönt von lautem Krächzen. Julia konnte die Vögel hören, doch nicht sehen. Lediglich aus
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher