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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel
Autoren: Krystyna Kuhn
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ganz oben im Dach zwölf Dachgauben.
    Vier Studenten in jedem Apartment der Seitenflügel. Pro Stockwerk acht Apartments, vier nach vorne raus, vier nach hinten. Das machte zweiunddreißig Studenten pro Stockwerk. Also hundertachtundzwanzig Studenten pro Seitenflügel, zusammen zweihundertsechsundfünfzig. Dazu kamen noch einmal hundertzweiundzwanzig Senior-Studenten, die bis auf die Betreuer alle in den geräumigeren und modernen Rückgebäuden auf dem Campus untergebracht waren. So kam man auf genau dreihundertachtundsiebzig Studenten. Exakt die Zahl, die Robert im Prospekt des Colleges gelesen hatte.
    Klar, das Zahlensystem war einfach, ja geradezu primitiv. Aber der Bauherr hatte sich verdammt viel Gedanken über die Architektur gemacht.
    Oder – bildete er sich das alles nur ein? Schließlich beruhte die Architektur, ja die ganze Welt auf Zahlen und mathematischen Prinzipien.
    Also alles nur Zufall?
    Aber das war es doch nicht, was ihn irritierte und dieses unbehagliche Gefühl auslöste. Nein, es war das System, das er erkannte. Jede Wohnung, jedes Zimmer besaß denselben quadratischen Grundriss. Und die Quadrate reihten sich aneinander wie Zellen in einem Gefängnis. Übersichtlich, geordnet und jederzeit gut zu kontrollieren.
    Und noch etwas: Der Collegebau des Grace und der Ghost lagen sich spiegelbildlich gegenüber. Das Grace erhob sich über dem Westufer, der Berg überragte das Ostufer. Und wenn Robert nicht alles täuschte, dann … nein, das nicht. Es konnte nicht sein, dass das Zahlenverhältnis zwischen Seitengipfeln und Hauptgipfel des Ghost identisch war mit dem des Hauptgebäudes und seiner Seitenflügel.
    Wieder fröstelte Robert. Abrupt wandte er sich von dem Fenster ab. Er spürte die Panik kommen. Sie fühlte sich an, als fiele er in ein bodenloses Dunkel.

Kapitel 3
    Sobald Isabel Hill, die betreuende Senior-Studentin für das zweite Stockwerk im Nordflügel, die Tür zu dem winzigen Zimmer öffnete, geriet Julia in einen Schockzustand. Während sie auf der Fahrt nur müde und genervt gewesen war, spürte sie nun deutlich, wie tiefe Niedergeschlagenheit endgültig von ihr Besitz nahm und vermutlich nie wieder weichen würde.
    Es war schon spät, fast halb elf, und obwohl Alex es ihnen angeboten hatte, hatten Julia und Robert darauf verzichtet, noch etwas zu essen.
    Die Flure und Gänge des Nordflügels, vor dessen Seiteneingang Alex den Rover geparkt hatte, waren bei ihrer Ankunft verhältnismäßig leer gewesen – auf dem Weg zu Alex’ Büro im ersten Stock waren sie nur wenigen Studenten begegnet, die sie neugierig musterten. Julia hatte richtig sehen können, wie die Fragen in deren Köpfen ratterten. Wer waren die beiden neuen Studenten? Warum kamen sie erst jetzt? Mitten in der Nacht und außerdem eine Woche nach Semesterbeginn? Und wozu das viele Gepäck?
    Andererseits war Julia viel zu erschöpft gewesen, um sich genau umzusehen. Alles, was sie wahrnahm, waren unendlich lange Flure, nur spärlich beleuchtet, mit reichlich abgewetzten Teppichen, deren ursprüngliches Muster nicht mehr zu erkennen war und die das von den Füßen unzähliger Studenten glatt gewordene Parkett verdeckten.
    Irgendwie roch es merkwürdig. Als hätte sich der Dreck seit Jahrzehnten in das Holz an den Wänden und dem Boden gefressen und man versuchte nun vergeblich, ihm mit ätzenden Reinigungsmitteln Herr zu werden. Der ewige Kampf des Menschen gegen die Hartnäckigkeit von Schmutz und Dreck. Ihre Mum hatte ihn fast immer gewonnen. Kein Wunder. Sie war ein Ordnungsfreak und gehörte zu den Frauen, die in ihrer Handtasche stets Sagrotanspray und Putztücher mit sich schleppten.
    »Na, was sagst du? Gemütlich, oder?« Isabel war ein hochgewachsenes, schlankes blondes Mädchen mit einer dieser Kurzhaarfrisuren, die lässig zerzaust wirkten, denen in Wirklichkeit aber ein ultrateurer Schnitt zugrunde lag und wahrscheinlich eine halbstündige morgendliche Stylingaktion. An ihrem Gang konnte Julia erkennen, dass sie zur Sportfraktion gehörte, also jemand war, der mit Sportschuhen ins Bett ging, bereits vor dem Frühstück joggte und, anstatt zu leben, einen genauen Trainingsplan einhielt. Früher hatten Julia und Kristian immer gelästert: Leute, die joggen, laufen dem Leben davon.
    Früher.
    Es wurde Zeit, dass sie dieses Wort endgültig aus ihrem Wortschatz strich. Wie auch den Namen Kristian.
    »Das gemeinsame Badezimmer findest du dort drüben. Toilette ist separat«, erklärte Isabel, »und schräg
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