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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel
Autoren: Krystyna Kuhn
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verwirrend, aber nach ein paar Tagen findest du dich zurecht. Und ehrlich, das College ist das Beste, was mir passieren konnte. Endlich bin ich meine Eltern los. Keine Vorhaltungen mehr, keine Verbesserungsvorschläge für mein Leben. Ich bin zwar erst eine Woche im Tal, aber mir kommt es vor, als sei ich hier geboren.«
    Irgendwie, dachte Julia, siehst du auch so aus.
    »Rück mal ein Stück!« Das seltsame Mädchen kroch über Julia hinweg und machte es sich, den Rücken an die Wand gelehnt, auf dem schmalen Bett bequem. »Warum seid ihr erst eine Woche später gekommen?«
    Julia holte tief Luft. Der wahre Meister im Lügen, der Profi des Versteckspiels beantwortete Fragen mit Gegenfragen.
    »Wie heißt du eigentlich?«
    »Deborah. Deborah Wilder, aber jeder nennt mich Debbie.« Debbie beugte sich nach vorne und griff nach dem Schmuck auf Julias Nachttisch. »Warum hast du zwei goldene Ringe an der Kette?« Sie suchte nach einer Gravur, bis Julia ihr die Kette aus der Hand riss.
    »Oh, sorry, ich wollte nicht neugierig sein. Bist du verlobt?«
    Verliebt, verlobt, verheiratet. Das stand ganz bestimmt nicht auf dem Radar von Julias Zukunft. Dennoch drängten sich plötzlich die Erinnerungen in ihrem Kopf, als ständen sie Schlange.
    Hatte Kristian sie bereits vergessen? Oder suchte er noch immer nach ihr? Und was hatte er gedacht, als sie plötzlich verschwunden war, ohne Gruß, ohne Abschied?
    Irgendwann, nach Jahren, würde ihn vielleicht jemand fragen: Erinnerst du dich noch an das Mädchen, mit dem du zum ersten Mal geschlafen hast? An diesem Samstagabend, dem Abend, an dem das Unglück passierte?
    Wie lange würde es dauern, bis Julia zu einem Nebel in seinen Erinnerungen wurde?
    Wie lange würde es dauern, bis er vergaß, wer sie gewesen war?
    Welches Mädchen, würde Kristian antworten.
    »Mein Zimmer liegt übrigens genau neben deinem.« Debbie sah sich voller Neugierde im Zimmer um. »Warum hast du eigentlich so viel Gepäck? Möchtest du für immer hierbleiben? Na ja, hier gibt es Lehrer, die waren schon in den Siebzigern am Grace und sind zurückgekommen, nachdem das Tal wiedereröffnet wurde.«
    »Wiedereröffnet? War es denn mal geschlossen?«
    Debbie winkte ab. »Lange Geschichte. Passierte sozusagen in grauer Vorzeit. Kümmern wir uns lieber um die Gegenwart. Du möchtest sicher alles über die zwei erfahren, die mit uns hier wohnen. Wir teilen uns Küche und Bad, aber das weißt du wahrscheinlich schon von Isabel.« Sie zupfte an Julias Bettdecke. »Ehrlich gesagt, das große Los haben wir nicht mit denen gezogen.« Debbie wartete Julias Antwort nicht ab, sondern redete einfach weiter. »Also, da ist erst einmal Rose. Die liebe, die schöne, die wunderbare Rose. Na ja, bis auf die Glatze.«
    »Glatze?«
    Debbie kicherte.
    »Total kahl. Sie sieht aus wie ein Sträfling.«
    »Ist sie krank?«
    »Keine Ahnung. Hab sie nicht gefragt. Oder besser, ich habe sie gefragt, aber sie hat mir keine richtige Antwort gegeben.« Debbies Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. »Ich kenne diesen Typ. Sie tut sanft und unschuldig, dabei ist sie in Wirklichkeit Miss Untouchable. Die Unberührbare, verstehst du?«
    Nein, Julia verstand kein Wort. Es interessierte sie auch nicht, doch solange Debbie über andere redete, fragte sie Julia wenigstens keine Löcher in den Bauch. Vielleicht ging es beim Lästern genau darum. Wenn man sich über andere den Mund fusselig redete, musste man nichts von sich preisgeben.
    »Hörst du mir überhaupt zu?« Debbie starrte Julia an. Wie sie nun die Lippen missmutig zusammenkniff, sah sie aus, als hätte sie anstelle eines Mundes nur einen schmalen Schlitz im Gesicht. Irgendwie gruselig.
    »Klar höre ich dir zu. Und das andere Mädchen?«
    Julia hatte gehofft, der verdrossene Ausdruck in Debbies Gesicht würde mit ihrer Frage verschwinden, doch nun zwinkerte sie nervös mit den blassblauen Augen.
    »Katie?«
    »Heißt sie so?«
    »Ja, Katie West. Kommt aus irgendeinem asiatischen Land. Ich kann Asiaten nicht leiden, und du?«
    Anstelle einer Antwort zuckte Julia mit den Schultern. Gott, jetzt stellte sich diese Debbie auch noch als Rassistin heraus.
    »Halte dich besser von ihr fern!«, flüsterte Debbie. »Sie ist seltsam. Spricht fast mit niemandem. Ist immer für sich. Aber die Jungs in unserem Jahrgang sind total in Ordnung. Vor allem die Truppe auf dem Stockwerk unter uns. Die werden dir gefallen!« Sie seufzte. »Wie ich die um Alex beneide! Wir müssen uns auf unserem Stockwerk
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