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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel
Autoren: Krystyna Kuhn
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angefangen.«
    »Robert war lange krank und durfte erst jetzt fliegen«, murmelte Julia.
    »Was hatte er denn?«
    »Lungenentzündung.« Die Lüge kam ganz automatisch. Und um von Robert abzulenken, fragte sie: »Alle anderen sind schon da?«
    »Ja, klar. Euer Jahrgang ist der einzige, der noch nicht vollzählig ist. Du wohnst mit drei anderen Mädchen, Deborah Wilder, Katie West und Rose Gardner, im Apartment 213.«
    Namen, die ihr nichts sagten. Leute, die Julia nicht kennen wollte.
    »Und ich?«, wollte Robert wissen.
    »Apartment 113. Ein Stockwerk darunter. Zusammen mit David Freeman, Benjamin Fox und Christopher Bishop. Die Stockwerke sind nach Geschlecht getrennt.« Alex lachte. »Pro Stockwerk gibt es einen Senior-Betreuer. Für den zweiten Stock ist Isabel Hill verantwortlich und ich hab den ersten übernommen. Wenn ihr Probleme habt, wendet euch also einfach an mich oder Isabel. Wir haben ein gemeinsames Büro und arbeiten eng zusammen.«
    Betreuer? So wie er es sagte, klang das eher nach Aufpasser, schoss es Julia durch den Kopf.
    Sie schloss die Augen und rief sich das Lied ins Gedächtnis zurück, das die Batterie ihres iPods so jäh unterbrochen hatte.
    I know it’s over von Emilia Autumn.
    Nicht gerade ein Sound, der zu Everybody’s Darling passte.
    *
    Die nächsten zehn Minuten herrschte Schweigen im Landrover.
    Wenn ihr Probleme habt, wendet euch einfach an mich!
    Julia hätte sich kaputtlachen können, wäre nicht alles so schrecklich gewesen.
    Probleme?
    Das Wort traf auf ihre Situation nicht zu. Problem war ein Wort, das man verwendete, wenn man den Bus verpasste, die Pickel im Gesicht sich flächendeckend ausbreiteten oder meinetwegen auch die Scheckkarte nicht gedeckt war. Nein, Julia hatte keine Probleme. Sie war die Verkörperung der Katastrophe. Einer Katastrophe, die nie enden würde – genau wie der Weg dort draußen, so schien es jedenfalls.
    Alex steuerte den Wagen mit einer Hand und noch immer hatte er die Geschwindigkeit nicht gedrosselt. Aber Julia war zu erschöpft, um eine Bemerkung zu machen.
    Ihr Blick folgte dem grellen Scheinwerferlicht, das immer dasselbe Stück des Waldweges auszuleuchten schien: schwarze Bäume, für wenige Sekunden erleuchtet, als würden sie Feuer fangen, wenn die Scheinwerfer sie trafen. Jeder die Kopie des anderen.
    Die Straße.
    Die Zukunft.
    Eine Klapperschlange, die einen gruselt, wenn sie sich mit diesen seltsamen unerwarteten Bewegungen ihren Weg bahnt. Und keiner kann ahnen, welche unvorhergesehene Richtung sie als Nächstes einschlagen wird.
    Plötzlich erschien Julia Roberts Geschwätz von dem Paralleluniversum gar nicht mehr so absurd.
    »Pass auf ihn auf!«, hatte ihre Mutter ihr mehr als einmal eingeschärft. »Pass auf deinen Bruder auf. Er ist nicht für diese Welt geschaffen. Er ist anders.«
    Und ich, hätte Julia am liebsten gefragt, was ist mit mir? Bin ich Superman? Spiderwoman? Lara Croft?
    »Was meinst du, Julia?«, flüsterte Robert. »Wie lange sind wir schon unterwegs?«
    »Keine Ahnung.«
    »Zeit ist relativ … Wir sind vielleicht achtundvierzig Stunden unterwegs, aber mir kommt es vor, als ob die Zeit stillsteht.«
    »Robert, ich bin müde. Ich habe keine Lust, über das Phänomen Zeit nachzudenken.«
    »Was ich meine«, hörte sie ihn sagen, »ist ja nur – es gibt Momente, in denen man keine Zeit spürt, weil sich gar nichts verändert – oder alles! Woran soll man sich aber dann orientieren, wenn Zeit und Raum …«
    Julia schloss die Augen und versuchte seine Stimme auszublenden. Sie wusste, wenn Robert mit einem seiner wissenschaftlichen Vorträge anfing, dann war sie ihm nicht gewachsen. Und im Moment fehlte ihr dazu auch jeder Ehrgeiz – sie wollte nichts anderes als ankommen, sich ins Bett legen und hoffen, dass die Zukunft vorbeiging.
    Die Dogge zu ihren Füßen knurrte.
    »Ruhig, Ike!«, hörte sie Robert murmeln. »Du bist ein guter Hund. Ich glaube, wir werden Freunde.«
    Der Wagen wurde langsamer. Julia öffnete die Augen.
    In den wenigen Sekunden, in denen sie die Welt um sich herum ausgeblendet hatte, hatte sie sich verändert. Als hätte jemand Julia an einen anderen Schauplatz versetzt, sie auf einen anderen Platz gebeamt.
    Der dichte Wald war hinter ihnen zurückgeblieben und vor ihnen wurde der Weg plötzlich breiter. Links und rechts der Straße standen Laternen und ihr orangefarbenes Licht zeigte den Weg in die Nacht. Und dann fühlte Julia, wie ihre Hände vor Aufregung zu schwitzen begannen. Alex
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