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Das spanische Erbe

Das spanische Erbe

Titel: Das spanische Erbe
Autoren: Susan Stephens
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noch die Zügel umklammert hielt. Sie betrachtete ihn forschend, denn der Hut hatte bis jetzt sein Gesicht bedeckt. “Ich könnte Ihnen Frühstück machen …”
    Langsam drehte der Kutscher sich um und schob die Kopfbedeckung nach hinten. Annalisa blieb starr stehen, als ihr bewusst wurde, um wen es sich handelte. Es war Ramons Chauffeur, und aus seiner finsteren Miene schloss sie, dass er sie immer noch nicht leiden konnte. Egal, dachte sie, nichts soll mir heute meinen großen Tag verderben! “Es ist noch sehr früh. Sie möchten die Pferde sicher noch tränken und ihnen etwas zu fressen geben. Dort hinten im Stall finden Sie alles Notwendige.”
    “Die Kutsche muss noch dekoriert werden, Señorita”, erwiderte der Mann kalt. “Die Tiere auch …”
    “Dann warten Sie wenigstens im Schatten.”
    “Wie Sie wünschen.”
    Sie wandte sich ab und fragte sich, warum der Chauffeur immer so unzufrieden aussah. Ramon behandelte sein Personal höflich und fair, und die Leute arbeiteten gern für ihn. Sie schätzte den Mann auf Mitte fünfzig. Die vielen Falten im Gesicht kamen wahrscheinlich von der missmutigen Miene, die er immer aufsetzte, und es schien, als hätte er noch nie in seinem Leben gelacht. Sie würde sich um ihn und seine Probleme kümmern, wenn sie erst einmal verheiratet war.
    Sie ging wieder ins Haus und stieg in die Badewanne. Lächelnd genoss sie das warme, parfümierte Wasser und lauschte mit geschlossenen Augen den Geräuschen, die von draußen hereindrangen. Maria Teresa werkelte schon eifrig in der Küche, denn der Empfang sollte auf der Finca stattfinden. Vor einigen Tagen hatte sie die Ernte eingebracht und war mit erstklassigen Orangen in Hülle und Fülle belohnt worden. Daher hatte sie sogar noch einen zweiten Grund zum Feiern.
    Annalisa hatte sich für eine schlichte Zeremonie in der Dorfkirche entschieden. Sie wollte lieber mit ihren Arbeitern und deren Familien feiern als ein großartiges Fest in Mahon oder auf Ramons Anwesen abhalten. Sie hatte Margarita als Trauzeugin ausgewählt, und die kleine Aurelia hatte begeistert zugestimmt, Blumen zu streuen.
    Schließlich verließ Annalisa die Wanne, schlang sich ein flauschiges Badehandtuch um und ging barfuß zur Treppe. “Können Sie mir beim Anziehen helfen, Maria Teresa?”, rief sie.
    In diesem Moment klopfte es laut. “Das ist wahrscheinlich Señor Perez’ Chauffeur. Kümmern Sie sich bitte erst um ihn, Maria Teresa. Vielleicht möchte er ja etwas trinken.” Sie wartete, doch als niemand antwortete, ging sie ins Schlafzimmer und zog den Unterrock und den Traum aus weißer Spitze an. Staunend betrachtete sie sich dann im Spiegel und drehte sich einmal um sich selbst. Sie sah fantastisch aus!
    “Kann
ich
Ihnen helfen?”, fragte plötzlich jemand kühl.
    Annalisa blieb erschrocken stehen. Was hatte Claudia hier zu suchen? Ramon hatte ihr eine großzügige “Abfindung” gezahlt, damit sie für immer aus ihrem Leben verschwand – und damit gleichzeitig die alten Fischereirechte erworben, die Claudia immer noch besessen hatte. Wieso war sie noch auf Menorca? Langsam drehte sie sich um und atmete tief durch. Doch als sie sah, was ihre Stiefmutter um den Hals trug, war es mit ihrer Beherrschung vorbei. “Woher haben Sie das?”, fragte sie wütend.
    Claudia lächelte nur und berührte die Diamantkette, die Ramon Annalisa erst am Abend zuvor als Hochzeitsgeschenk überreicht hatte.
    “Geben Sie sie mir”, befahl Annalisa kurz angebunden.
    Claudia stellte sich vor den Spiegel, drehte sich hin und her und bewunderte die funkelnden Steine. “Wohl kaum”, erwiderte sie schließlich.
    Ramons Geschenk am Hals dieser eiskalten Frau zu sehen, die ihre Mutter so gequält hatte, war mehr, als Annalisa ertragen konnte. “Was haben Sie hier zu suchen? Sie hätten die Insel schon lange verlassen sollen.”
    “Ich habe es mir eben anders überlegt. So wie es aussieht, hätte ich für die Fischereirechte noch viel mehr Geld verlangen können. Ich denke, dass mich das hier”, sie berührte den Schmuck, “eher zufriedenstellen wird.”
    “Dazu haben Sie kein Recht. Das ist Diebstahl.”
    “Meine Liebe, Sie haben keine Manieren.”
    “Wozu auch?”, fragte Annalisa, die mit ihrer Geduld am Ende war. “Geben Sie mir die Kette. Sofort!”
    Claudia nahm sie ab und warf sie achtlos auf den Nachttisch. Dann blickte sie Annalisa finster an. “Sollten Sie sich nicht langsam ankleiden? Sie wollen doch nicht etwa Ihre Hochzeit
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