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Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen

Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen

Titel: Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen
Autoren: Pierre Grimbert
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Mein Name ist in allen Ländern der Oberen Königreiche und selbst über ihre Grenzen hinaus bekannt. Ich bin Erzherzogin Agenor von Lorelia, die jüngere Schwester seiner Hoheit Bondrian V, genannt der Umsichtige, vierzehnter Herrscher aus dem Hause der Jarodier – und vermutlich der letzte männliche Abkomme unseres Geschlechts, der die lorelische Krone trägt.
    Seit nunmehr siebzig Jahren arbeite ich im Verborgenen daran, die Macht unseres Reichs zu mehren. Mein ganzes, viel zu rasch vergangenes Leben habe ich in den Dienst meines geliebten Landes gestellt, doch die königlichen Annalen, die Hofmaler und selbst unsere Goldterzen kennen nur ein Gesicht: das meines Bruders.
    Dabei hatte dieser Einfaltspinsel einfach nur das Glück, einige Jahre vor mir zur Welt zu kommen. Ohne eine wahre Heerschar von Ministern, Beratern und Beamten könnte er überhaupt nicht regieren. Seine Vertrauten sind auch nicht besser als die Hofschranzen, die um uns herumscharwenzeln, um sich Vorrechte zu erschleichen oder ihre Rivalen zu schmähen. Das einzige Talent dieser Klugschwätzer ist die Heuchelei, mit der sie sich als weise Ratgeber ausgeben, obwohl sie dem Königreich durch ihre Untätigkeit großen Schaden zufügen. Sie sind nichts als Faulenzer und Feiglinge, die sich in Friedenszeiten bereichern.
    Ich hingegen treffe meine Entscheidungen, ohne mich um die Zustimmung dieser Schmarotzer zu scheren. So habe ich es seit jeher gehalten, jedenfalls seit jener Nacht im Jahre 865,
als ich im Wochenbett mit dem Tode rang. Die Hebammen ersparten mir die grausame Wahrheit nicht. Trotz der entsetzlichen Schmerzen, die ich damals litt, erinnere ich mich noch an jedes Wort, das sie in den qualvoll langen Dekanten an mich richteten: Sie konnten entweder das Kind oder die Mutter retten. Ich musste eine tragische, endgültige Entscheidung treffen, doch ich durfte mich meinen Verpflichtungen nicht entziehen.
    Nach diesem Schicksalsschlag konnte ich keine weiteren Kinder gebären. Meine Unfruchtbarkeit bekümmerte meinen Gatten so sehr, dass er vor Gram starb, noch bevor er das vierzigste Lebensjahr erreichte. Er war der Letzte seines Geschlechts, das mit den alten Königen von Lermian verwandt war, und so fiel mir ein Erbe zu, das den Wert der wenigen Ländereien, die mir mein Bruder gnädigerweise überlassen hatte, um ein Vielfaches überstieg. Nun war ich, die ich all die Jahre im Schatten des Königs und meines Gatten gestanden hatte, mit einem Mal die reichste Frau Loreliens – reicher noch als die Königin.
    Meine Schwägerin und ich hatten uns nie leiden können, das war allseits bekannt, und als reiche Witwe war ich ihr erst recht ein Dorn im Auge. Dass es mir gelang, meinen Wohlstand zu mehren, erregte ihre Missgunst. Nachdem ich jahrelang die Rolle der stillen Schwester und Ehefrau gespielt hatte, erwies ich mich nun als geschickte Geschäftsfrau: Innerhalb kurzer Zeit verdoppelte ich den Inhalt meiner Goldtruhen, und bald konnten sich meine Reichtümer mit denen des Kaisers von Goran, des Sultans von Jezeba oder des arkischen Falkenklans messen.
    Mein Bruder war zu dumm oder zu vertrauensselig, um darin eine Bedrohung seiner Herrschaft zu sehen, doch meine Schwägerin zeigte schon bald ihr wahres Gesicht. Sie war eine kaltblütige Intrigantin, die auf dem Weg zum Thron mehrere Rivalinnen aus dem Weg geräumt hatte. Meinem Gold, mehr noch als meinem Rang als Erzherzogin, verdankte ich letztlich mein Leben, denn die Spitzel, die ich bei Hofe eingeschleust hatte, warnten mich vor einem Mordversuch der Königin. Ich brauchte den Lohn des Schergen, den sie auf mich angesetzt hatte, nur um lächerliche fünf Terzen zu erhöhen, um den Spieß umzudrehen und ihr den Mann auf den Hals zu hetzen.
    Kaum hatte er am vereinbarten Tag sein blutiges Werk vollbracht, ließ ich den Mörder fassen. Erstand noch über die Leiche meiner Schwägerin gebeugt, als meine Armbrustschützen ihn vor den Augen des herbeieilenden Königs niederstreckten. An jenem Abend weinte sich mein Bruder an meiner Schulter aus. Nun waren wir beide allein auf der Welt, zwei Geschwister in trauter Einigkeit, wie früher als Kinder.
    Doch diese Einigkeit trog, denn gleichgestellt waren wir noch immer nicht. Der König hatte zwei Erben, die ihm auf den Thron folgen würden. Ich hingegen war dazu verdammt, kinderlos zu bleiben, und darunter litt ich mehr, als ich mir eingestehen wollte.
    Die Jahre vergingen, und ich wurde es leid, mich immer nur um Geschäfte zu kümmern.
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