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Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Titel: Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler
Autoren: John Boyne
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hat.«
    »Tja, nun, das war unvermeidlich. Ich hätte ihn niemals heiraten sollen, so ist es nun mal. Ich muss verrückt gewesen sein.«
    »Aber Sie hatten Kinder?«
    »Drei. Alice ist Tierärztin, hat selbst drei Kinder und schlägt sich bestens. Helen ist Psychologin und hat unglaubliche fünf Kinder. Ich weiß nicht, wie sie das macht. Die beiden gehen bald in Rente, was auch mir das Gefühl gibt, steinalt zu sein. Und dann ist da noch mein Sohn.«
    »Der Jüngste?«
    »Richtig, wobei er auch bereits in seinen Fünfzigern ist, was man nicht unbedingt jung nennen kann.«
    Ich sah sie an, sagte kein Wort und fragte mich, was sie mir über ihn erzählen würde.
    »Was?«, fragte sie schließlich.
    »Nun, hat er auch einen Namen?«
    »Natürlich hat er einen Namen« sagte sie, wandte den Blick ab, und ich begriff plötzlich und schämte mich für meine Frage. Ich suchte bei meinem Glas Zuflucht, meinem Sicherheitsnetz.
    »Mein Sohn hat mit seinem Leben zu kämpfen, wenn ich ehrlich sein soll«, sagte sie. »Ich weiß nicht recht, warum. Er ist genau so aufgewachsen wie seine Schwestern, fast genau so zumindest, aber wo sie Erfolg hatten, wurde er immer aufs Neue enttäuscht.«
    »Das tut mir leid.«
    »Tja, ich tue natürlich, was ich kann. Aber es ist nie genug. Ich weiß auch nicht, was passieren wird, wenn ich mal nicht mehr bin. Seine Schwestern finden ihn furchtbar schwierig.«
    »Und sein Vater?«
    »Ach, Leonard ist lange tot. Er ist schon in den Fünfzigern gestorben. Hat wieder geheiratet, ist nach Australien ausgewandert und bei einem Brand umgekommen.«
    Ich starrte sie an. Der Name war gleich wieder da. »Leonard?«, fragte ich. »Doch nicht Leonard Legg?«
    »Warum? Ja«, sagte sie und sah mich fragend an. »Woher sollten Sie …? O ja, natürlich. Das hatte ich völlig vergessen. Sie haben ihn an dem Tag getroffen, nicht wahr?«
    »Er hat mir ins Gesicht geschlagen.«
    »Er dachte, wir hätten eine romantische Beziehung.«
    »Sie haben ihn geheiratet?«, fragte ich entsetzt.
    »Ja, Tristan, ich habe ihn geheiratet. Aber wie ich Ihnen schon sagte, hat die Ehe keine zehn Jahre gehalten. Wir haben uns das Leben zur Qual gemacht. Sie wirken überrascht?«
    »Das bin ich auch«, sagte ich. »Ich meine, ich kannte ihn natürlich nicht. Ich erinnere mich nur noch an die Dinge, die Sie mir an dem Tag über ihn erzählt haben. Wie sehr Sie gegen ihn waren und wie übel er sie im Stich gelassen hatte.«
    »Wir haben bald darauf geheiratet«, sagte sie. »Ich will nicht behaupten, dass es die schlechteste Entscheidung meines Lebens war, immerhin habe ich drei Kinder von ihm bekommen, und doch habe ich mich gründlich verschätzt. Ich bin am nächsten Tag zu ihm zurückgekehrt, verstehen Sie. Nachdem Sie wieder weg waren. Ich brauchte jemanden, und er war da. Ich kann es nicht erklären. Ich weiß, es muss … dumm erscheinen.«
    »Das tut es nicht«, sagte ich. »Mir steht kein Urteil über Sie zu.«
    Sie sah mich an und wirkte plötzlich beleidigt. »Nein, das tut es nicht«, sagte sie. »Hören Sie, er war da, und ich wollte jemanden, der sich um mich kümmert. Ich habe ihn zurück in mein Leben gelassen, aber am Ende ist er wieder daraus verschwunden, und das war’s. Reden wir nicht mehr von mir. Ich habe mich satt. Was ist mit Ihnen, Tristan? Sie haben nie geheiratet? In der Zeitung stand nichts darüber.«
    »Nein«, sagte ich und sah weg. »Aber Sie wissen doch, dass ich das nicht konnte. Ich habe Ihnen alles erklärt.«
    »Ich weiß, dass Sie es nicht sollten «, antwortete sie. »Aber woher soll ich wissen, zu wie viel Unehrlichkeit Sie fähig waren? Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass Sie es am Ende tun würden. Damals haben es die Leute so gemacht. Wahrscheinlich tun sie es heute noch. Nur Sie nicht.«
    »Nein, Marian«, sagte ich und nahm den Schlag gegen das Kinn hin, wie er gedacht war. »Nein, ich nicht.«
    »Und gab es da je … Ich weiß nicht, wie die Leute es nennen, ich bin nicht so modern, Tristan. Gab es je einen … Gefährten? Ist das das richtige Wort?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Es gab nie irgendjemanden?«, fragte sie, und ich musste lachen, überrascht, wie überrascht sie war.
    »Nein«, sagte ich. »Nicht eine einzige Person. Zu keiner Zeit. Keine Beziehung, gleich welcher Natur.«
    »Lieber Himmel. War das nicht einsam? Ihr Leben, meine ich.«
    »Ja.«
    »Sie sind immer noch allein?«
    »Ja.«
    »Sie leben allein?«
    »Ich bin völlig allein, Marian«, wiederholte ich
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