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Das Sonnenblumenfeld

Das Sonnenblumenfeld

Titel: Das Sonnenblumenfeld
Autoren: Andrej Longo
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lang saß er schweigend bei ihm. Aber die Stille machte ihm Angst, und die Ungewissheit zerfraß ihm die Seele, und als er es nicht länger aushielt, begann er, mit dem Freund zu reden, als könnte der ihn hören.
    Redend hatte Dummenico die Nacht verbracht und so ein wenig Ruhe gefunden.
     
    Jetzt war die Nacht vorüber, und Dummenico spürte, dass ihm der Schädel dröhnte und seine Beine vor Anspannung hart geworden waren.
    Er stand auf, sagte zum Professor, dass er gleich wieder da wäre, und ging aufs Klo.
    Dort hielt er den Kopf unter den Wasserhahn, bis er das Gefühl hatte, das Feuer wäre gelöscht. Dann trocknete er sich ab.
    Er ging ins Erdgeschoss runter, trank einen Kaffee, ging ein paar Schritte durch den Garten am Krankenhaus. Plötzlich hatte er das Bedürfnis, mit Rosetta zu reden, und rief sie an. Erst fragte er nach den Kleinen, dann fragte er, ob es ihr gut ginge, und zum Schluss fehlte ihm der Mut, ihr vom Professor zu erzählen.
    Als er ins Zimmer zurückkam, war es acht Uhr. Der Professor lag immer noch so da, angeschlossen an die Schläuche, und es sah aus, als schliefe er.
    Dummenico setzte sich zu seinem Freund.
    »Prufessò«, sagte er, »du musst aufwachen, was soll ich denn sonst tun? Wir haben das doch gemeinsam gemacht und uns wacker geschlagen, unser Herzblut gegeben, und das alles für nichts, Prufessò? Umsonst?«
    »Nein, nicht umsonst …«, sagte eine Stimme.
    Einen Augenblick lang dachte Dummenico, dass er die Stimme nur geträumt hatte. Dann hob er den Blick und sah das Mädchen an der Tür stehen. Sie hatte schwarze Haare und ein trauriges Lächeln, schön
wie ein Gemälde. Er erkannte sie nicht, denn im Sonnenblumenfeld hatte er keine Zeit gehabt, sie anzuschauen, aber ihm war klar, dass sie es war.
    »Ich möchte euch für das danken, was ihr getan habt«, sagte das Mädchen.
    Dann setzte sie sich ans Bett, schaute den Professor an und streichelte ihm die Hand.
    »Der Doktor sagt, er braucht ein Wunder.«
    Dummenico nickte.
    »Und alles meinetwegen«, sagte das Mädchen.
    »Was hat das mit dir zu tun?«
    »Weil er mich retten wollte, liegt er jetzt da.«
    »Ich glaube«, sagte Dummenico, »wenn du weißt, was richtig ist, dann musst du das auch tun, denn wenn du das nicht tust, geht alles Schöne im Leben verloren, und du erkennst es nicht mal mehr. Mein Freund hat nur das Richtige getan, und das ist nicht deine Schuld. Wenn jemand schuld ist, dann diese Schweine, die sich alles nach Lust und Laune nehmen, aber das weißt du selbst, das muss ich dir nicht erklären.«
    »Aber er …«, murmelte das Mädchen, dem die Tränen in die Augen gestiegen waren.
    Dummenico ließ sie nicht weitersprechen.
    »Nein, nein«, sagte er, »pass mal auf, der kommt schon wieder zu sich. Mein Freund ist ganz schön zäh. Der ist imstande, nur aufzuwachen, um die Ärzte zu ärgern.«
    Das sagte er eigentlich, um sie zu beruhigen, aber in dem Augenblick glaubte er selbst daran.
    Das Mädchen hatte sich inzwischen ein Lächeln abgerungen.
    »Wie heißt du?«, fragte Dummenico.
    »Caterina.«
    »Gut, Caterina, jetzt geh nach Hause, sonst schämt er sich und wacht nicht auf.«
    »Ich gehe schon«, sagte sie, »aber erst will sich noch jemand bedanken.«
    Dummenico hatte nicht einmal Zeit zu fragen, wer, da erschien Lorenzo in der Tür. Sein Arm war eingegipst, auf der Stirn, die schwarz war von Blutergüssen, war er genäht worden, und sein Blick schien älter als seine Jahre.
    Caterina suchte seine Hand, und er griff danach, aber so, als bereitete es ihm Mühe, als würde ihn etwas quälen und ihm keine Ruhe lassen.
    »Ich glaube, ich verstehe«, sagte Dummenico, »du bist bestimmt der, der die Tammorra geschlagen hat, um Hilfe zu holen.«
    »Das habt ihr gehört?«, fragte Lorenzo verwundert.
    »Wenn die Tammorra nicht gewesen wäre, hätten wir euch nicht helfen können.«
    Lorenzos Lächeln ließ sein ganzes Gesicht strahlen. Dann seufzte er leise, Tränen traten ihm in die Augen, und er drückte die Hand des Mädchens fester.
    Sie erwiderte den Druck, und eine Zeitlang blieben sie so sitzen, mit ineinander verschlungenen Händen, und es schien, als könnte nichts sie auseinanderreißen.
    »Dann gehen wir jetzt«, sagte Caterina dann, »ich will ins Kommissariat, um Anzeige zu erstatten. Aber wenn Ihr Freund aufwacht, dann kommt uns besuchen, ich will mich auch bei ihm bedanken.«
    Sie streichelte den Professor noch mal, küsste Dummenico auf die Wange und ging mit Lorenzo aus dem
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