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Das Sonnenblumenfeld

Das Sonnenblumenfeld

Titel: Das Sonnenblumenfeld
Autoren: Andrej Longo
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antwortete nicht, sondern ging zurück zu ihrer Tochter.
    Giovanni goss Kaffee ein, holte ein Glas Wasser und ging ins Esszimmer zurück.
    Da erst, als Calasetta den Kaffee trank, schaute Giovanni ihn genauer an. Und er bemerkte, wie erschöpft Calasetta aussah, wie er nur mit Mühe seine Sorge verbarg. Ihm zitterte sogar die Hand.
    »Dottore, was ist passiert?«, fragte Giovanni.
    So hatte er ihn noch nie gesehen.
    Mino Calasetta trank den Kaffee aus, trank das Wasser, und als er die verlorene Ruhe wiedergefunden hatte, schaute er Giovanni in die Augen.
    »Ich will dir etwas vorschlagen«, sagte er. »Aber denk genau nach, bevor du antwortest, denn das schlage ich nur einmal vor.«

Der Vorschlag
    Mino Calasetta hatte in der ersten Reihe gesessen und sich das Konzert in Begleitung einer ausländischen Signora angehört, die er in der Dorfbar kennengelernt hatte. Er hatte sie angesprochen und ihr dann galant den Hof gemacht. Und damit sie ihm nicht abhaute, hatte er ihr für das Konzert am Abend einen Platz in der ersten Reihe besorgt. Ab und an machte er einen Witz, um sie zum Lachen zu bringen, und mit jedem Lachen reichte er ihr ein neues Glas Wein, damit sie gefügiger wurde. Sogar die Pizzica hatte er mit der Signora getanzt, und so, wie sie sich an ihn schmiegte, schien der Augenblick reif, sie mit in sein Büro zu nehmen. Er sah sie schon über den Tisch gebeugt, mit hochgezogenem Rock und nacktem Hintern, als ein Schrei auf der Piazza ihn aus seinen Träumereien riss.
    Er war aufgesprungen, um zu sehen, was los war. Und stellte fest, dass es Rita Avagliani war, die geschrien hatte. Als er sah, was mit dem Mädchen los war, war ihm ein Verdacht gekommen. Deshalb hatte er sich bei der Signora entschuldigt und war seinen Sohn suchen gegangen, in der Hoffnung, dass er sich irrte und schnell zu ihr zurückkonnte.
    Er fand ihn auf dem Sofa liegend, ein Bier in der
Hand und im Gesicht eine Wunde, die er mit einem Taschentuch zu verstecken suchte.
    Er schaute ihn scharf an und fragte, ob das was mit Caterina zu tun hatte.
    »Kümmere dich um deinen Scheiß«, sagte sein Sohn und versuchte, seinem Blick auszuweichen.
    Mino Calasetta begriff, dass er seinen Sohn zu lasch erzogen hatte und dass es vielleicht zu spät war, das noch zu ändern. Er begriff nicht, dass es sein Beispiel war, das den Sohn mehr verdorben hatte als die Freiheit, die er ihm gewährte.
    Trotzdem zog er seinen Gürtel aus der Hose und fragte noch mal, ob das was mit dem Mädchen zu tun habe. Und sein Sohn, der glaubte, der Vater mache nur Theater, vermaulte sich noch einmal.
    Calasetta schlug zu, bevor er es sich anders überlegte.
    Beim ersten Schlag schrie Fellone erschrocken auf. Beim zweiten rief er nach seiner Mutter, aber die lag im Bett, vollgepumpt mit Schlafmitteln. Beim dritten Hieb brach er in Tränen aus, und dann erzählte er dem Vater alles, was es zu erzählen gab.
    Mino Calasetta schenkte sich einen Schluck Nocino in ein Schnapsglas ein. Das Glas hatte ihm seine Frau aus Spanien mitgebracht, bevor sie depressiv geworden war. Eine spanische Tänzerin prangte darauf, die einen Flamencoschritt mit einem offenen Fächer vollführte.
    Mino Calasetta trank den Nocino und betrachtete die wirbelnde Tänzerin.
    Dann schloss er sich in seinem Büro ein, um ein paar Telefonate zu machen. Er erfuhr, dass der Verletzte wahrscheinlich nicht überleben würde und Capa di Ciuccio verhaftet worden war. Caterinas Name fiel nicht.
    Noch konnte die ganze Angelegenheit also ohne Schaden verschleiert werden, wenn das Mädchen den Mund hielt. Eine delikate Angelegenheit, aber über den Vater von Caterina konnte man es versuchen. Der Mann hatte schon gezeigt, dass er wachsweich war und leicht einzuschüchtern.
    Deshalb ging Mino Calasetta am nächsten Morgen um fünf Uhr zum Haus der Avagliani.
    Giovanni erklärte er, dass er ihm den Lohn verdoppelte und als Wiedergutmachung fünfzigtausend Euro in bar zahlte, wenn das Mädchen schwieg. Und aus der Hosentasche zog er ein Bündel Scheine und legte es auf den Tisch, er hatte es extra mitgebracht, um Eindruck zu schinden.
    Giovanni starrte das Geld an.
    Dann das selbstsichere Lächeln von Calasetta.
    Und dann noch mal das Geld.
    Er wusste nicht, was Caterina zugestoßen war, aber etwas musste zwischen ihr und Fellone geschehen sein. Und man musste nicht studiert haben, um zu verstehen, dass es nichts Angenehmes gewesen sein
konnte. Er dachte auch daran, wie der doppelte Lohn und die fünfzigtausend Euro ihr
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