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Das Sonnenblumenfeld

Das Sonnenblumenfeld

Titel: Das Sonnenblumenfeld
Autoren: Andrej Longo
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drei Jahren wegen manipulierter Ausschreibungen dranzukriegen versuchte.
    Und wenn nun, dachte der Commissario auf einmal, die Geschichte in dem Sonnenblumenfeld wie vom Himmel fiel, um Calasetta auf andere Art dranzukriegen?
    Er griff nach den Zigaretten und begann zu phantasieren.
    Wenn diese Geschichte aus dem Sonnenblumenfeld stimmte, wenn sich da tatsächlich drei Jungs wie die Tiere auf ein Mädchen gestürzt hatten – dann hing vielleicht nicht nur Capa di Ciuccio drin, sondern auch Calasettas Sohn, die beiden waren ja oft zusammen. Und wenn das so war, dann konnte er endlich mit dem Bauunternehmer ein Tänzchen tanzen. Mit dem Schnurrbärtigen als Zeugen. Allerdings wäre es besser, einen ehrlichen Mensch als Zeugen zu haben als einen Räuber. Und vergessen wir nicht, dachte der Commissario weiter, um sein Gewissen zu beruhigen, dass die beiden das Mädchen gerettet haben. Und dass einer der beiden dabei niedergestochen worden war und vielleicht starb. Der Commissario drückte die Zigarette aus und beschloss, sich dumm zu stellen.
    Den Schwarzen ließ er seiner Wege gehen.
    Dem Schnurrbärtigen brachte er einen Kaffee, entschuldigte sich für das Missverständnis, ließ ihn seine Aussage unterschreiben und fragte ihn, wo er hingebracht werden wollte.

Warten auf ein Wunder
    Kurz nach Mitternacht setzte der Polizeiwagen Dummenico vor dem Krankenhaus ab. Er ging durch die Tür und zum Informationsschalter.
    Hinter dem Schalter saß eine Signora im grünen Kittel, um den Hals eine Brille, die an einer Kette baumelte. Sie war ungefähr dreißig, dürr wie eine Sardine, sah aber ganz freundlich aus. Dummenico fragte nach dem Professor. Sie erkundigte sich, ob er ein Verwandter war.
    »Ein Freund«, sagte Dummenico.
    »Dann kann ich Ihnen keine Auskunft geben«, sagte die Sardine mit einem schmalen Lächeln.
    Dummenico erklärte ihr die Situation, so höflich er konnte, in der Hoffnung, dass die Sardine sich erbarmte. Aber die war sturer, als sie aussah. Sie presste ihre Lippen aufeinander wie einen Hühnerarsch, als sie wiederholte, dass das nun mal die Regeln waren und sie keine Ausnahme machen konnte.
    Dummenico fand, sie wurde immer hässlicher.
    Dann bat er sie, ihm wenigstens die Station zu nennen, damit er selbst nachfragen konnte. Aber auch das wollte die Sardine nicht. Und außerdem, fügte sie hinzu, könne er um die Zeit sowieso niemanden besuchen, mitten in der Nacht.
    Langsam wurde Dummenico nervös. Der Tag war hart genug gewesen. Aber er wollte keinen Aufstand machen und für Aufruhr sorgen.
    Er brauchte eine Idee.
    »Bitte entschuldigen Sie, dass ich Ihre Zeit in Anspruch nehme«, sagte er so schmachtend, wie er konnte, »aber wie kann eine Frau mit zwei so schönen Augen so grausam sein?«
    Die Sardine wurde rot. Sie wusste, dass ihre Augen nichts Besonderes waren und dass der Typ nicht das geringste Interesse an ihr hatte.
    Dummenico stützte sich auf den Schalter und schaute ihr mit einem Filmstarblick in die Augen.
    »Ich halte Sie nicht länger auf«, sagte er. »Aber so schöne Augen wie Ihre sind dazu da, die Sterne anzuschauen, nicht diese vergilbten Papiere.«
    Diesmal wurde die Sardine wütend.
    »Jetzt reicht's aber«, zischte sie.
    Sie schlug das Register auf die Theke, und einen Augenblick lang sah es so aus, als wollte sie eine Szene machen. Aber dann musste sie lächeln, und mit dem Lächeln verschwand ihre Hässlichkeit.
    »Sie lügen«, sagte sie, »aber Sie sind ein netter Lügner.«
    Sie schaute in ihrem Register nach und gab ihm die Zimmernummer vom Professor.
    »Im zweiten Stock«, sagte sie, »er ist wohl gerade aus dem Operationssaal gekommen.«
    Und so stieg Dummenico in den zweiten Stock, und vor dem Zimmer stieß er auf den Arzt, der den Professor operiert hatte.
    »Wie geht es ihm?«, fragte Dummenico.
    »Er braucht ein Wunder«, sagte der Doktor ohne Umschweife.
    Dummenico war erschüttert.
    »Aber … wie kann das sein?«, fragte er mit zitternder Stimme.
    Der Arzt sah seine Erschütterung und erklärte ruhig, dass die Wunde tief war und er viel Blut verloren hatte. Dummenico schaute in das Zimmer und sah den Professor bewusstlos im Bett liegen. Überall hingen Schläuche, und sein Herz schlug nur, weil es an einen Apparat angeschlossen war.
    »Gibt es denn gar keine Hoffnung mehr?«, fragte er noch mal.
    Der Arzt breitete die Arme aus, seufzte und ging wortlos über den Flur davon.
    Dummenico betrat das Zimmer und setzte sich zum Professor ans Bett. Eine halbe Stunde
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