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Blutspur des Todes

Blutspur des Todes

Titel: Blutspur des Todes
Autoren: Alex Kava
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Freitag, 27. August
Prolog
    13.13 Uhr
Lincoln, Nebraska: Staatsgefängnis
    Max Kramer trug einen blauen Anzug und dazu seine rote Glückskrawatte. Während der Wachmann ihm die Tür aufschloss, musterte er sein Spiegelbild in der Scheibe aus Sicherheitsglas. Die neue Tönung wirkte wirklich Wunder, er konnte kaum noch ein graues Haar entdecken. Seine Frau behauptete zwar, das grau Melierte stünde ihm hervorragend, aber solche Dinge sagte sie immer, wenn sie ahnte, dass er wieder mal auf der Jagd nach einer Neuen war. Großer Gott, sie kannte ihn wirklich gut, weit besser, als ihr selbst bewusst war.
    »Ihr großer Tag«, sagte der Hüne von einem Wachmann, doch sein finsteres Gesicht wich keinem Lächeln.
    Max waren die Schimpfworte zu Ohren gekommen, mit denen die Wachen ihn in den letzten Wochen bedacht hatten, und er wusste, dass er nicht gerade ein gern gesehener Besucher hier im Todestrakt war. Aber das galt nur auf die Beamten. Für die Insassen war er geradezu ein Held, und sie waren es, die zählten, nur auf sie kam es an. Sie brauchten ihn, um das ihnen widerfahrene Unrecht anzuklagen, um ihre Geschichte loszuwerden. Ihre Version der Geschichte, besser gesagt. Nur um sie ging es ihm. Allerdings keineswegs, weil er etwa ein liberales Weichei gewesen wäre, wie ihn der
Omaha World Herold
und der
Lincoln Journal Star
wiederholt genannt hatten.
    Seine Motivation war weit weniger ehrenhaft. Die harte Arbeit, sein ganzer Einsatz, all das diente allein dazu, einen Tag wie diesen auszukosten. Zu erleben, wie sein Klient dieses Höllenloch aus Beton verließ. Es zählte nur dieser Moment, in dem er mit einem Todeskandidaten durch das Haupttor in den Sonnenschein und in die Freiheit schritt – in das Blitzlichtgewitter der Fotografen und vor die Kameras der Fernsehsender aus dem ganzen Land. Morgen saß er mit Jared bei Larry King auf CNN. Und heute Abend würde er seine rote Krawatte auf NBC bei Brian Williams präsentieren.
    Ja, das waren die Auftritte, auf die er sein ganzes Leben hingearbeitet hatte. Sie machten die lausigen Honorare und die ewigen Überstunden wett. Und auch die Angriffe der Lokalpresse würden jetzt verstummen.
    Er blieb vor dem Besucherraum stehen, als wolle er die Privatsphäre seines Klienten respektieren. Alles Theater. In Wahrheit wollte er mit diesem Jared Barnett nicht eine Sekunde länger als nötig verbringen. Er musterte ihn von der Türschwelle aus. Barnett trug dieselbe verwaschene Jeans und dasselbe rote T-Shirt wie am Tag seiner Einlieferung. Beides hatte er abgeben müssen, als er vor fünf Jahren hier eingewiesen wurde. Allerdings traten unter dem T-Shirt nun deutlich die Muskeln hervor, die er sich während seiner Haft antrainiert hatte. Erst jetzt, wo Barnett nicht mehr den orangefarbenen Sträflings Overall anhatte, fiel Max auf, wie ordinär der Mann aussah. Sein kurzes dunkles Haar war ungekämmt, als sei er gerade aus dem Bett gekrochen, und sollte wohl cool wirken. Wahrscheinlich würde die Frisur nach Barnetts Fernsehauftritten der neue Renner werden.
    Max hatte sich die größte Mühe gegeben, seinen Klienten zu dem ewig missverstandenen Verlierer zu stilisieren, der auf die schiefe Bahn geraten und dann von der Justiz hereingelegt worden war, was ihn fünf Jahre seines ohnehin schon traurigen Lebens gekostet hatte. Barnett musste seine Rolle jetzt nur weiterspielen, das passende Aussehen hatte er jedenfalls.
    Der Wachmann trat beiseite und gab die Tür frei.
    »Jetzt kommt der Papierkram«, erklärte er. »Wenn Sie wollen, können Sie drinnen warten.«
    Max nickte, als sei er dankbar für die Einladung, die der Wachmann offenbar für ein Entgegenkommen hielt. Dabei wäre es ihm sehr viel lieber gewesen, wenn der Mann ihn unten in der Halle hätte warten lassen. Aber nun war es zu spät. Jared hatte ihn bereits erkannt und winkte ihn herein. Als Max eintrat, stand er auf. Ein unschuldig Veruteilter mit besten Manieren, gut machte er das.
    »Setzen Sie sich«, sagte Max. Er griff nach einem der Klappstühle und schob ihn in Barnetts Richtung. Das kratzende Geräusch des Metalls auf dem Fußboden ließ ihn zusammenzucken. Er merkte, dass er nervös war. Barnett würde ihm hoffentlich keinen Strich durch die Rechnung machen, sobald er wieder gehen konnte, wohin er wollte.
    »Mann, ich hätte nicht geglaubt, dass Sie das tatsächlich durchziehen«, sagte Barnett. Er setzte sich wieder und hatte offenbar kein Problem damit, dass Max stehen blieb. Max hatte sich das vor
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