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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt
Autoren: M Mazzantini
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um Bescheid zu sagen, dass er nicht mit zum Segelkurs
kann, weil er mit mir verreisen muss. Sein Freund fragte ihn offenbar, wann er
zurückkomme. Pietro nahm das Handy vom Mund und fragte Wann kommen wir zurück ?
    Ich schaute Giuliano
an. Bald , antwortete ich.
    Bald , sagte Pietro zu seinem Freund im
Handy.
    »Komm bald zurück«,
sagt Giuliano, als wir uns am Flughafen küssen. Dann umarmt er Pietro, indem er
ihm eine Hand um den Nacken legt und ihn an sich zieht. Pietro lässt sich
fangen, senkt den Kopf und reibt ihn an Giulianos. Einen Moment lang bleiben
sie so.
    »Ich verlass mich auf
dich.«
    »Ja, Papa.«
    Ich lege meine Tasche
aufs Band, und wir gehen auf die andere Seite. Wir kommen an den Leuchtreklamen
von Lancôme und von Prada Eyewear vorbei, mein Köfferchen rollt hinter meinen
Schritten her. Ich bleibe stehen. Kehre um. Giuliano ist noch nicht weg, er
steht noch da. Er starrt auf die Ecke, hinter der wir verschwunden sind. Breitbeinig,
die Hände in den Taschen wie ein wartender Chauffeur, eine namenlose Gestalt im
Kommen und Gehen der Leute. Als hätte er mit unserer Abreise seine Identität
verloren. Sein Gesicht ist anders, träge, die Muskeln scheinen erschlafft zu
sein. Augenblicklich ermesse ich die Einsamkeit, mit der ich ihn zurücklasse.
Er sieht mich, lebt schlagartig wieder auf, fuchtelt mit den Armen, macht einen
Satz nach vorn, lächelt. Er bedeutet mir, mich zu sputen, zu gehen. Er küsst
mich mehrmals aus der Ferne, spitzt im Leeren die Lippen.
    Wir sitzen im
Flugzeug. Pietros Gitarre über unseren Köpfen blockiert ein ganzes Gepäckfach.
Doch die Stewardess hat kein Theater gemacht, die Economy Class ist ziemlich
leer. Dafür ist die Business Class voll besetzt. Geschäftsleute mit
Designerkrawatten statt mit den glanzlosen, synthetischen Schlipsen von früher.
Neureiche aus dem Osten, verfettet auf dem Schmerz ihrer Völker. Sie lesen
Finanzblätter, essen warme Mahlzeiten und trinken Champagner.
    Unsere Assietten
kommen, kalt und dünn. Zwei Scheiben Kochschinken, Salat in Essig, ein Stück
Kuchen in Cellophan. Pietro schlingt alles runter, ich gebe ihm auch meine
Portion. Er ruft die Stewardess und bestellt mehr Brot. Auf Englisch, mit einer
ganz passablen Aussprache. Ich staune. Er lächelt die Stewardess an. Heute
Morgen sieht er bezaubernd aus, seine Augen blank wie zwei Stückchen Meer.
    Wir fliegen über die
Adria. Er kaut und betrachtet das Blau dort unten, ich betrachte ihn, die Linie
seines Profils, weiß vom Licht, das durchs Fenster fällt.
    Die Stewardess kommt
mit dem Brot zurück, Pietro bedankt sich, seine Krächzstimme klingt geradezu
angenehm. Die Mütter seiner Freunde erzählen mir, er sei sehr gut erzogen, und
machen mir Komplimente. Er ist ein großer Schmeichler, mein Sohn, nur bei mir
führt er sich auf wie die Axt im Walde.
    Er beißt in seinen
Kuchen, ein butterweiches Eckchen mit Zuckerguss. Es schmeckt ihm nicht, er
hält es mir hin.
    »Willst du?«
    Offenbar findet er es
normal, dass ich seine Reste essen soll.
    »Nein, danke.«
    Er sitzt mit diesem
weichen Etwas da, das ihm durch die Finger quillt.
    »Ich mag das nicht.«
    »Dann lass es
stehen.«
    Er nimmt die leeren
Verpackungen der Speisen, die er gegessen hat, und entsorgt sie auf meinem
Tablett. Er klappt seinen Tisch hoch und stützt die Knie dagegen. Stöpselt die
Ohrhörer ein und versinkt in seinem Sitz. Er wirft mir einen Blick zu.
    »Du wirkst ganz schön
durch den Wind.«
    Es stimmt, ich bin
ein bisschen durch den Wind. Als wir an Bord gingen, schwankte ich zwischen den
lichten, dynamischen Momenten einer versierten Frau auf Reisen und Momenten, in
denen ich vollkommen neben mir stand. Ich hatte Angst, die Bordkarten zu
verlieren und das Gate nicht zu finden. Pietro schaute sich unterdessen mit
neugierigen Luchsaugen um. Es interessierte ihn einen feuchten Dreck, ob ich
die Bordkarten verloren hatte. Ungerührt sah er zu, wie ich schwitzte, wie ich
die Handtasche auskippte.
    Dann
fahren wir eben wieder nach Hause , sagte er, bevor ich die beiden Schnipsel wiederfand und Jetzt aber los zu ihm sagte.
    Bei der Kontrolle
führte er sich auf wie vom Affen gebissen und machte ein Fass auf, weil der
Security-Mann in seine Gitarre gegriffen hatte. Ich sagte ihm, dass der Mann
nur seinen Job mache. Er sagte zum x-ten Mal So’n Scheiß . Auf dem Weg zur Passagierbrücke
erklärte er, das sei doch alles Blödsinn, es sei ja ein Kinderspiel, bis an die
Zähne bewaffnet durch die Kontrollen zu kommen.
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