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Das schönste Wort der Welt

Das schönste Wort der Welt

Titel: Das schönste Wort der Welt
Autoren: M Mazzantini
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hat? Mit dem habe
ich mich wunderbar verstanden, es schien genau auf meiner Wellenlänge zu
liegen.
    Jetzt tut er mir
leid. Wenn er schläft, wenn sich sein Gesicht entspannt, vermisst wohl auch er
diesen niedlichen Körper, der in nur wenigen Monaten vom Monster der Pubertät
verschlungen wurde, und er sucht ihn im Traum wohl immer noch. Darum will er
nicht aufwachen.
    Ich beuge mich
hinunter, ziehe ihm die Decke vom Kopf und berühre sein Haar, das borstig
geworden ist, er wehrt mich ab.
    Jetzt wurmt es ihn,
dass er sitzengeblieben ist. Jetzt, da es Sommer ist, er mit dem Tennisschläger
und seinen Schuhen Größe 43 aus dem Haus geht und dann wütend über seine
Freunde zurückkehrt, wobei er knurrt, er wolle sie nie wiedersehen, weil sie
nächstes Jahr nicht mehr in derselben Klasse seien und er das Gefühl habe, sie
hielten nicht mehr zu ihm.
    »Ich muss mit dir
reden.«
    Er setzt sich abrupt
auf, sein nackter Oberkörper senkrecht im Bett.
    »Ich hab Hunger.«
    Also rede ich in der
Küche mit ihm, während er sich Nutella auf die Zwiebackscheiben streicht. Er
macht sich Häppchen, die er mit nur einem Bissen verschlingt.
    Sein Mund ist
verschmiert, er hat den Tisch vollgekrümelt und die Zwiebackpackung ruiniert,
er hat sie komplett aufgerissen.
    Ich sage nichts, ich
kann ihn nicht pausenlos zurechtweisen. Schweigend sehe ich dem Bankett meines
Sohnes zu, dann erzähle ich ihm von der Reise.
    Er schüttelt den
Kopf.
    »Vergiss es, Ma, da
kannst du alleine hinfahren.«
    »Aber Sarajevo ist
wunderschön …«
    Er lächelt, legt die
Hände zusammen und schüttelt sie, wobei er mich mit seinem sympathischen,
pfiffigen Gesicht ansieht.
    »Ma, was soll das?
Hör auf damit, Jugoslawien ist das Letzte, das weiß doch jeder.«
    Ich verhärte mich,
verschränke die Arme.
    »Es heißt nicht mehr
Jugoslawien.«
    Er verschlingt noch
ein nutellatriefendes Törtchen. Wischt den Tropfen mit dem Finger auf und leckt
ihn ab.
    »Ist doch egal.«
    »Das ist nicht egal.«
    Ich senke die Stimme,
fast flehe ich ihn an.
    »Nur eine Woche,
Pietro, du und ich … Wir werden uns amüsieren.«
    Er schaut mich an,
und diesmal ist sein Blick aufrichtig.
    »Uns amüsieren? Also
echt, Ma …«
    »Wir fahren auch an
die Küste, das Meer dort ist wunderschön.«
    »Dann können wir ja
gleich nach Sardinien fahren.«
    Ich bin kurz vor
einem Zusammenbruch, und dieser Idiot erzählt was von Sardinien. Er steht auf
und räkelt sich. Er dreht sich um, ich sehe seinen Rücken und den Flaum in
seinem Nacken.
    »Interessiert es dich
denn wirklich nicht, wo dein Vater gestorben ist?«
    Er stellt seine Tasse
ins Spülbecken.
    »Du nervst.«
    Ich bitte ihn
inständig, meine Stimme ist dünn, unsicher. Wie seine Stimme, als er klein war.
    »Pietro … Pietro.«
    »Was denn?«
    Ich stehe auf, werfe
aus Versehen die Milchtüte um.
    » Was denn?! Er war dein Vater!«
    Er zuckt mit den
Achseln, starrt zu Boden.
    »Immer diese nervige
Geschichte.«
    Diese Geschichte ist seine Geschichte, unsere
Geschichte, doch er will nichts davon hören. Als kleiner Junge war er viel
neugieriger, viel draufgängerischer und stellte viel mehr Fragen. Damals sah er
sich diesen jungen Vater genau an … Diegos Foto am Kühlschrank, von einem
Magnet gehalten und vom Küchendunst vergilbt. Damals hat er mich noch umarmt,
sich an mich geschmiegt. Als er heranwuchs, hörte er auf, Fragen zu stellen.
Sein Universum reduzierte sich auf seine Bedürfnisse, auf seine kleinen
Egoismen. Er hat keine Lust, sich sein Leben und seine Gedanken komplizierter
zu machen. Für ihn ist Giuliano sein Vater, er ist es, der ihn zur Schule gebracht
hat und zum Kinderarzt. Er ist es, der ihm am Meer eine Ohrfeige verpasst hat,
als er in viel zu flaches Wasser gesprungen war.
    Ich putze mir die
Zähne, ziehe meine Jacke an, gehe wieder in sein Zimmer. Er ist noch in
Unterhosen und spielt Gitarre, mit geschlossenen Augen, das Plektrum schrappt
über die Saiten.
    Die Reise der Hoffnung .
Wieder denke ich über diese Worte nach, auf die ich zufällig gestoßen bin.
Denke an Pietro. Die Hoffnung gehört den Kindern. Wir Erwachsene haben schon
gehofft, und fast immer haben wir verloren.
    »Pack eine kleine
Tasche, nur Handgepäck.«
    Er antwortet nicht,
er pfeift.
    Wir sitzen im Auto,
Rom ist noch fahl. Pietro sitzt hinten, er trägt seine Ray-Ban, die gegelten
Haare glänzen.
    Das
kannst du deiner Mutter nicht antun , hat Giuliano gestern beim Abendessen zu ihm gesagt. Pietro rief
seinen Freund Davide an,
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