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Das Schlangental - Neal Carey 3

Das Schlangental - Neal Carey 3

Titel: Das Schlangental - Neal Carey 3
Autoren: Don Winslow
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Dank, dachte Strekker, als Mills anhielt und stocksteif stehenblieb, wie ein Rentier im Scheinwerferlicht. Er zielte noch einmal genauer und drückte den Abzug. 
     
    Steve Mills sah hinunter auf Bob Hansen, hundert gegensätzliche Gefühle in seiner Brust. Haß, Wut, Ekel … Mitleid.
    Er schüttelte den Kopf, dann ging er in die Knie, um dem kranken Mann das Leben zu retten.
    Er hörte die Kugel nicht einmal über seinen Kopf hinweg pfeifen. 
     
    Neal Carey aber hörte sie. Er hörte den Schuß und sah das Blitzen des Fernrohrs ein paar hundert Meter entfernt im Beifuß. Er wußte, wer das war, wer das nur sein konnte.
    Er schnappte sich sein Gewehr und rannte los, um Cal Strekker zu finden. 
     
    Ein Trostpreis, dachte Cal. Er sah Carey direkt auf sich zulaufen. Er zielte genau auf Careys Brust und wollte gerade abdrücken, als Shoshokos Pfeil durch seine Schußhand fuhr. Er rollte zur Seite und sah den kleinen Indianer einen Pfeil nachlegen. Cal wechselte das Gewehr in die andere Hand und schoß wild, Schuß um Schuß zwang er den alten Mann zu Boden.
    Cal stemmte sich auf die Beine. Er biß die Zähne aufeinander und riß den Pfeil aus seiner Hand. Einen Augenblick schaute er auf den toten Indianer hinunter, dann begann er, davonzuhinken in die Sicherheit der Berge. 
     
    Karen stützte sich auf ihre Hupe, als sie in die Stadt einfuhren. Sie kurbelte ihr Fenster herunter und rief: »Ruft den Sheriff!
    Ruft den Notarzt! Ruft einfach alle und dann schnappt euch eure Waffen und fahrt raus zu Mills!«
    Sie fuhr zu ihrem Haus und lief hinein. Peggy hob Cody in ihre Arme, dann folgten Shelly und sie Karen ins Haus. Sie hing schon am Telefon, bevor die beiden ihr nachgekommen waren. 
     
    Anne Kelley meldete sich verschlafen: »Hallo?«
    Die Frauenstimme am anderen Ende war atemlos, aber kraftvoll.
    »Ms. Kelley, sie kennen mich nicht, aber ich habe ihren kleinen Jungen hier, und er ist in Sicherheit. Ich bringe ihn jetzt ins Krankenhaus, aber es geht ihm gut. Alles ist in Ordnung. Ich sage Ihnen, wo sie hinmüssen.«
    Anne Kelley schrieb alles auf, legte auf, schlug die Hände vors Gesicht und weinte. 
     
    Neal nahm sich die Zeit, ein paar Worte über der Leiche des alten Mannes zu sagen, der ihm wenigstens zweimal das Leben gerettet hatte. Dann begann er, Cal Strekker zu folgen.
    Im Schnee war das nicht schwierig, vor allem weil Strekker Blut verlor. 
     
    Ed Levine stand auf dem Pferch und betrachtete die Körper der Männer, die er getötet hatte. Dave Bekke lag flach auf dem Rücken, die Arme und Beine in einer grotesken Parodie des Todes ausgebreitet. Bill McCurdy wie ein Fötus zusammengekrümmt, das Gesicht vor Angst und Schmerz verzogen. Ein paar Meter weiter lag Craig Vetters langer Körper mit dem Gesicht nach unten, in der Hand immer noch das Gewehr.
    Ed war auf eine eiskalte Art zufrieden damit, Recht gehabt zu haben: Diese Kerle waren Schützen, aber sie waren noch nie richtig beschossen worden. Das Gefühl der Kugeln, die auf sie zuflogen – der unglaubliche Lärm – hatten sie erschüttert, hatten sie jene paar tödlichen Sekunden zögern lassen.
    Er sah hinüber zu Steve Mills, der versuchte, Hansens Blutung zu stoppen, aber am Geräusch von Hansens Keuchen konnte er hören, daß die Mühen vergeblich waren.
    Ed stand einfach nur da, während das kalte Tageslicht das Lodern des Feuers neben ihm verblassen ließ. Der beißende Dampf des Schießpulvers und der Rauch der lodernden Scheune brannte in Eds Augen, bis ihm Tränen durch den Schmutz auf dem Gesicht herunterliefen wie kleine Flüsse durch verbranntes Land. 
     
    Joe Graham kniete an der Metallumzäunung des Pferches und sah Neal Carey immer kleiner werden, während dieser über den Beifuß davontrottete.
    Graham schaute einen Augenblick zurück auf den Tod und die Zerstörung hinter sich, dann schaute er wieder Neal hinterher.
    Lauf, Junge, dachte Graham. Lauf so weit weg, wie du kannst. 
     
    Neal fand Strekker etwa eine Stunde später. Er war hundert Meter vor ihm, lief zum Fluß. Er zog einen Fuß nach und umklammerte eine Hand mit der anderen.
    Ein verwundetes Tier, das zum Wasser lief.
    Neal dachte an Harley und Cody, an Anne Kelley, an Doreen. Er dachte an Shelly Mills und an Steve. Er dachte an das Pferd.
    Neal hob sein Gewehr ans Auge und zentrierte das »V« auf Strekkers Rücken. Er wollte gerade den Abzug drücken, als er sich an Joe Grahams Gesicht erinnerte und seine Worte hörte: Bist du jetzt einer von ihnen geworden?
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