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Das Schicksal in Person

Das Schicksal in Person

Titel: Das Schicksal in Person
Autoren: Agatha Christie
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reizenden Dame etwa Mitte dreißig. Als alles Nötige besprochen war, sagte Miss Marple zögernd: »Täusche ich mich, wenn ich annehme, dass alle Kosten…!«
    »Aber natürlich«, kam ihr Mrs Sandbourne zu Hilfe, »das habe ich wahrscheinlich in dem Brief nicht deutlich genug erklärt. Mr Rafiel ist bereits für alle Kosten aufgekommen.«
    »Sie wissen doch, dass er gestorben ist?«, fragte Miss Marple.
    »Ja, das weiß ich. Er hat noch vor seinem Tod alles geregelt. Er erwähnte, dass er krank sei und einer guten alten Freundin, die sehr gern reisen würde, mit diesem Geschenk eine Freude machen wolle.«
     
    Zwei Tage später saß Miss Marple in einem luxuriösen Autobus, der London in nordwestlicher Richtung verließ. Den neuen, schicken Koffer hatte sie dem Fahrer gegeben, ihre kleine Reisetasche hatte sie bei sich behalten. In London hatte man den Reisenden eine kleine Broschüre überreicht, in der alles Wissenswerte über die Tagesziele, die Sehenswürdigkeiten und die Hotels stand, in denen man wohnen würde. Auch eine Liste der Mitreisenden war dabei, und die begann Miss Marple nun besonders gründlich zu studieren. Es waren sechzehn Namen aufgeführt:
     
    Mrs Riseley-Porter
    Miss Joanna Crawford
    Colonel Walker und Mrs Walker
    Mr und Mrs H. T. Butler
    Miss Elizabeth Temple
    Professor Wanstead
    Mr Richard Jameson
    Miss Lumley
    Miss Bentham
    Mr Caspar
    Miss Cooke
    Miss Barrow
    Mr Emlyn Price
    Miss Jane Marple
     
    Miss Marple schaute sich um und musterte ihre Mitreisenden, die zum Teil auch in die Lektüre der Broschüre vertieft waren. Sie entdeckte vier ältere Damen, von denen zwei zusammen reisten. Miss Marple schätzte sie auf etwa siebzig. Eine von ihnen schien von der nörglerischen Sorte zu sein, die sich über alles beklagte, immer den besten Platz haben wollte und mit nichts zufrieden war. Sie waren mit Reisedecken, gestrickten Schals und einer Auswahl Reiseführer ausgestattet. Ziemlich gebrechliche Damen, aber nicht der Typ, der sich ins Haus verkroch und aller Lebensfreude entsagte. Miss Marple schrieb eine Bemerkung in das kleine Notizbuch, das sie mitgenommen hatte.
    Es waren außer Mrs Sandbourne fünfzehn Personen. Eine von ihnen müsste irgendwie wichtig für Miss Marple sein, sonst hätte man sie nicht auf diese Reise geschickt. Irgendjemand, von dem sie eine Information bekommen könnte, oder irgendjemand, der mit einem Rechtsfall zu tun hatte. Oder sogar ein Mörder: Jemand, der schon einen Mord begangen hatte oder ihn plante. Alles war möglich. Sie musste unbedingt Notizen über ihre Mitreisenden machen.
    Auf der rechten Seite würde sie alle Leute eintragen, die von Mr Rafiels Gesichtspunkt aus interessant sein könnten, und auf der linken Seite alle die, durch die sie vielleicht wertvolle Informationen bekam. Informationen, von denen sie vielleicht selbst gar nicht wussten, dass sie für irgendjemand wichtig seien. Ganz hinten in ihrem kleinen Notizbuch würde sie dann die Personen eintragen, von denen sie glaubte, sie früher irgendwo schon einmal gesehen zu haben, entweder in St. Mary Mead oder anderswo.
    Die beiden anderen älteren Damen gehörten offensichtlich nicht zusammen. Beide waren um die Sechzig. Die eine war sehr gepflegt, gut angezogen und trat sehr sicher auf. Jemand, der gesellschaftlich etwas bedeutete und das auch wusste. Sie hatte eine laute und gebieterische Stimme. In ihrem Schlepptau befand sich eine Nichte, ein etwa achtzehnjähriges Mädchen, von der sie mit »Tante Geraldine« angeredet wurde. Die Nichte, so stellte Miss Marple fest, verstand es ausgezeichnet, mit Tante Geraldines Bevormundung fertig zu werden; sie war ein selbstbewusstes und sehr hübsches Mädchen.
    Gegenüber von Miss Marple, auf der anderen Seite des Ganges, saß ein großer, breitschultriger Mann, der einen etwas schwerfälligen Eindruck machte. Er hatte ein auffallend kräftiges Kinn, eine dichte, graue Haarmähne und buschige Augenbrauen, die sich beim Reden immer auf und ab bewegten. Neben ihm saß ein großer, dunkelhaariger Ausländer, der unruhig auf seinem Sitz hin und her rutschte und ständig mit den Händen redete. Er sprach ein merkwürdiges Englisch und verfiel hin und wieder ins Französische und Deutsche. Der mächtige Mann neben ihm schien mit diesen Sprachen keine Schwierigkeiten zu haben, denn er antwortete je nach Bedarf auf Französisch oder Deutsch. Miss Marple kam zu der Ansicht, dass die buschigen Augenbrauen zu Professor Wanstead gehören mussten und der
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